Demografie interdisziplinär: Gute Lehre – gute Karriereaussichten  

Foto: Thinkstock/iStock

13.05.2016 – Kann ein Weniger (an Menschen in Deutschland) auch ein Mehr (an Möglichkeiten für den Einzelnen) bedeuten? Mit dieser Frage haben sich Vertreterinnen und Vertreter der FOM Institute und KompetenzCentren befasst. Herausgekommen sind 12 individuelle Kurzbeiträge, die vielfältige Impulse und Denkanstöße liefern. Heute erläutert Prof. Dr. Sabine Fichtner-Rosada, FOM Prorektorin Lehre, warum Kompetenztrainings im Zuge eines sich verdichtenden War for Talents deutlich an Qualität und Vielschichtigkeit gewonnen haben.

Bereits vor knapp 15 Jahren prägte eine McKinsey-Studie den Begriff „War for Talent“ als Synonym für den intensiven Wettbewerb der Unternehmen um Führungskräfte, die High Potentials, als Absolventen von (Elite)-Hochschulen. Wettbewerbsvorteile generieren danach im Informationszeitalter diejenigen Unternehmen, die diese „better talents“ akquirieren und als Werttreiber auch nachhaltig im Unternehmen halten können. Der demografische Wandel sorgt nun dafür, dass sich der Kampf um Talente immer weiter zuspitzt.

Der im Zuge der demografischen Entwicklung steigende Wettbewerb führt indes auch zu einer allgemeine Chancenvielfalt: Innovative Bildungskonzepte – Kompetenzentwicklungen, die sowohl nachhaltige Qualifikationsvorteile für die Kandidatinnen und Kandidaten selbst als auch Mehrwert für den Arbeitsmarkt bringen – werden entwickelt und führen auch zu Bildungstrends, die den quantitativen Demografie-Nachteil kompensieren können und sich so ohne den demografischen Wandel nicht (so bald) eingestellt hätten.

Doch wie sehen die Kompetenztrainings, die diesen hohen Erwartungen entsprechen sollen, in der Zukunft konkret aus? Ein Blick auf die Konzepte im Zeitverlauf ermöglicht hier die Perspektive in mögliche Zukunftsentwicklungen.

Im Rahmen der veränderten Bildungsanforderungen aufgrund des demografischen Wandels sind auch die Hochschulen mittlerweile über ihren klassischen Bildungsauftrag hinaus tätig. Der Bologna-Prozess fordert die Umsetzung von Modellen zum lebenslangen Lernen sowie die akademische Ausbildung zur Arbeitsmarktfähigkeit. Nur die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte stellt nicht mehr das alleinige Ziel dar:

Der Nürnberger Trichter der Vergangenheit lässt zwar manche Lehrenden wehmütig aufseufzen, jedoch ist die Intention, Studierende könnten sich derart passiv ihre Qualifizierung abholen und Lehrende so auch den „Minimalisten“ alles beibringen, längst überholt.

Vielmehr stehen nun das Angebot und die Durchführung qualitätsgesicherter, zeit- und teilweise sogar ortsflexibler Studiengänge – oft auch für Berufstätige, die neben ihrer Praxiswelt eine akademische Qualifizierung anstreben und nach erfolgreichem Abschluss damit ihre Karriere fördern – im Mittelpunkt von Kompetenztrainings. Diese erfolgreich zu gestalten, stellt hohe Anforderungen an jeden Einzelnen; Studierende wie auch Dozierende müssen sich viel stärker als früher aktiv und kollaborativ in Lernen und Lehren einbringen.

So ist die Form der Lehrstoff-Vermittlung – also die „hohe Kunst“ der Didaktik – ebenfalls einem intensiven Wandel unterzogen worden. Kompetenzorientierte Lehre mit interaktiven Elementen wie eigenständigen Recherchen, Case Studies, Interviews sowie Diskussionen und Präsentationen sind mittlerweile in den Focus der didaktischen Bemühungen gerückt. Lernziele und Lernkontrollen sorgen für den Fit notwendiger Kompetenzen bei den Lernenden.

Diese Kompetenzen, die im wissenschaftlichen und berufspraktischen Leben eine wesentliche Bedeutung innehaben, determinieren den Erfolg im späteren Berufsleben. Fachliche Kompetenzen stehen dabei für viele Absolventinnen und Absolventen immer noch im Vordergrund; Arbeitgeber schätzen darüber hinaus die personalen Kompetenzen mittlerweile als wesentlichen Erfolgsfaktor in der Personalentwicklung hoch ein.

Also ein Mix an Trainingsmethoden mit flexiblem Kompetenzfocus auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes als Chance des demografischen Wandels?

Ja, und dabei spielt im Rahmen von modernen Kompetenztrainings mittlerweile die Digitalisierung eine besondere Rolle. Sie ermöglicht zeit- und ortsflexibles Lernen und Lehren und wird aktuell als Zukunftsmodell in der Bildungspolitik gehandelt. Fernstudien mit hohen digitalen Lernanteilen vermitteln neben Fachkompetenz vor allem Qualifikationen in der Selbstkompetenz – diejenigen, die sich durch ein digitalisiertes Studium „beißen“, gelten als besonders belastbar. Dennoch: Abbruchquoten von bis zu 80 Prozent an den Fernhochschulen zeigen die ultimative Problematik, dass ohne soziale Kontakte, ohne Support von Dozierenden und auch Mitstudierenden der Abschluss eines Hochschulstudiums gerade mal „20prozentig“ wahrscheinlich ist. So wird die demografische Chance in der Bildungspolitik offensichtlich (noch) nicht ergriffen.

Allerdings hat der technologische Fortschritt den Zugang zu Bildung deutlich erleichtert: Schnelle Internetverbindungen bieten der Generation der „Digital natives“ heute die Möglichkeit, weltweit und schnell Wissen zu erwerben und auszutauschen. Hier haben die in jüngster Zeit auch in Deutschland stark diskutierten akademischen MOOCs (massive open online courses), die von renommierten Institutionen wie z. B. dem MIT (Massachusetts Institute of Technology) kostenfrei im Internet zur Verfügung gestellt werden, einen neuen Trend eingeleitet: Weltweit wird einer breiten Schicht von Bildungsinteressierten, die die klassischen Bildungsangebote aus zugangsrechtlichen, ökonomischen und persönlichen Gründen nicht nutzen können, nun die Möglichkeit von arbeitsmarktrelevanter Qualifizierung angeboten.

Allerdings gelten auch in diesen demokratisierten Bildungsformen dieselben Probleme, die bereits zu den Fernstudien angesprochen wurden: Ohne Unterstützung und Begleitung werden auch diese innovativen Lernformen nur selten erfolgreich abzuschließen sein. Insofern bleibt die Rolle des (präsenten) Dozierenden, der die Studierenden in möglichst auch persönlichen Coachings gezielt fördert, auch weiterhin ein wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Bildungsangebote.

Moderne Kompetenztrainings müssen also an Arbeitsmarktanforderungen ausgerichtet sein, akademische Qualifizierungen zielgruppenspezifisch „maßgeschneidert“ vermitteln und moderne Technologien einsetzen, die die Integration weiterer Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Bildungswesen international ermöglicht. So werden in Zukunft notwendige demografische Chancen ergriffen und erfolgreich im Bildungsbereich umgesetzt werden können.

Prof. Dr. Sabine Fichtner-Rosada, Prorektorin Lehre

 

Die weiteren Beiträge der Reihe „Demografie interdisziplinär“ im Überblick: