Die Symbiose von Künstlicher Intelligenz & Quantencomputern: FOM setzt wegweisende Maßstäbe in Forschung & Lehre  

Die meisten Menschen haben schon von Quantencomputern gehört, aber die wenigsten wissen, worum es sich dabei genau handelt. Prof. Dr. Rüdiger Buchkremer nutzt sie am ifid Institut für IT-Management & Digitalisierung sowie in der Lehre an der FOM Hochschule.

Herr Professor Buchkremer, wie ein Quantencomputer aussieht, sehen wir im Bild – aber was ist das genau, was kann so ein Gerät und wo ist der Unterschied zu herkömmlichen Computern?

Prof. Dr. Rüdiger Buchkremer: Ein Quantencomputer und ein klassischer Computer sind zwei unterschiedliche Arten von Werkzeugen. Während ein klassischer Computer Informationen als Bits in Form von Nullen und Einsen verarbeitet, verwendet ein Quantencomputer sogenannte Quantenbits oder „Qubits“, die auf den Prinzipien der Quantenmechanik basieren. Diese Qubits erlauben es dem Quantencomputer, bestimmte Aufgaben, insbesondere komplexe Berechnungen, viel schneller zu lösen als klassische Computer, was enorme Fortschritte in der Berechnungsleistung und in der Lösung komplexer Probleme ermöglicht.

Ein beträchtlicher Aspekt eines Quantencomputers findet sich in einem ausgeklügelten Kühlmechanismus: Die mehrstufige Anordnung, die mitunter wie ein Kronleuchter anmutet, verbirgt sich hinter Kühlmanschetten auf verschiedenen Ebenen einer hochkomplexen Kühltechnologie. Während klassische Computer hauptsächlich Wärme abführen, um die Temperatur der Komponenten auf einem akzeptablen Niveau zu halten und eine zuverlässige Leistung sicherzustellen, dient das Kühlungssystem bei Quantencomputern einem anderen Zweck: Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt – sprich, bei minus 273,15 Grad Celsius oder 0 Kelvin – sind die erwähnten Qubits in der Lage, quantenmechanische Phänomene wie „Superposition“, „Verschränkung“ und „Quantenkorrelation“ abzubilden.

Können Sie uns diese Phänomene erklären?

Prof. Buchkremer: Superposition ist ein Konzept der Quantenmechanik, das besagt, dass ein Qubit – also eine Einheit der quantenmechanischen Information – gleichzeitig in mehreren Zuständen sein kann. Stellen Sie sich vor, Sie würfen eine Münze. In der „klassischen Welt“ zeigt sie, wenn sie zum Liegen kommt, entweder Kopf oder Zahl. In der „Quantenwelt“ kann die Münze in einem Zustand sein, der gleichzeitig Kopf und Zahl ist, bis man sie beobachtet beziehungsweise misst und sie dadurch in einen bestimmten Zustand fällt.

Verschränkung ist ein weiteres Quantenphänomen. Es bedeutet, dass zwei oder mehr Qubits miteinander verknüpft sein können, so dass der Zustand eines Qubits den Zustand eines anderen beeinflusst, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Stellen Sie sich vor, Sie hätten zwei „verschränkte Münzen“. Wenn Sie den Zustand einer Münze ändern – z. B. von Kopf zu Zahl –, ändert sich der Zustand der anderen Münze automatisch, ohne dass eine sichtbare Verbindung zwischen ihnen besteht.

Und zur Quantenkorrelation stellen Sie sich vor, Sie befänden sich auf einer riesigen Tanzfläche mit vielen Tänzerinnen und Tänzern, die miteinander tanzen. In der Welt der Quantencomputer tanzen diese Tänzerinnen und Tänzer nicht nur paarweise, sondern jeder tanzt mit jedem gleichzeitig.

Diese Quantenkonzepte sind faszinierend und anders als alles, was wir in der klassischen Welt erleben. Sie sind der Grund, warum Quantencomputer so vielversprechend sind, da sie komplexe Aufgaben auf einzigartige Weise lösen können.

Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für die Zukunft und welche Rolle spielt dabei die Künstliche Intelligenz?

Prof. Buchkremer: Die Integration von KI in Quantencomputer könnte in Zukunft dazu beitragen, komplexe wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Die Zusammenarbeit dieser beiden Technologien verspricht innovative Lösungen für viele der drängendsten Probleme unserer Zeit.

Und Sie nutzen Quantencomputer in Ihren Forschungsprojekten und in Ihrer Lehre an der FOM. Wie läuft das genau ab?

Prof. Buchkremer: Im Rahmen des Studiengangs „Big Data & Business Analytics“ sind wir stets auf der Suche nach innovativen Lösungen zur Bewältigung von Datenkomplexität. Eine unserer aufregenden Entwicklungen besteht darin, Quantencomputer in unsere Forschungs- und Lehraktivitäten zu integrieren. Dabei nutzen wir Cloud-Plattformen, um auf die immense Rechenleistung von Quantencomputern zuzugreifen. Dies eröffnet uns ein weites Feld von Möglichkeiten. Besonders stolz sind wir auf die Master-Thesis unserer Absolventin Büsra Kösoglu-Kind, die eine Verbindung zu renommierten Institutionen wie IBM und der Europäischen Organisation für Kernforschung, kurz CERN, schuf. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es uns, auf hochmoderne Quantencomputer zuzugreifen und an Projekten von globaler Bedeutung teilzunehmen. In unserer Lehre verfolgen wir einen praxisnahen Ansatz, bei dem Studierende aktiv in unsere Forschungsarbeit eingebunden sind. Sie bekommen die Gelegenheit, Forschungslücken zu erkennen und im Rahmen ihrer Master-Thesen zu untersuchen. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür ist unsere jüngste Veröffentlichung in den Scientific Reports der angesehenen Fachzeitschrift „Nature“. In dieser wegweisenden Arbeit haben wir Quantencomputer eingesetzt, um genetische Sequenzen zu analysieren, die mittels buchstabenbasierter Codes dargestellt werden. 

Diese Publikation ist eine Gemeinschaftsforschungsleistung von der FOM Master-Absolventin Büsra Kösoglu-Kind, Robert Loredo von IBM, Dr. Michele Grossi vom CERN, FOM Master-Absolvent Christian Bernecker, Dr. Jody M. Burks von IBM und mir.

Wenn es um die Analyse genetischer Sequenzen geht: Heißt das, Sie haben eine Möglichkeit gefunden, die Medizin zu unterstützen?

Prof. Buchkremer: Das ist richtig. Im Zentrum unserer Nature-Untersuchung steht der innovative Einsatz des „Flexible Representation of Quantum Images“, kurz: „FRQI“-Frameworks zur Durchführung einer detaillierten Sequenzpaar-Analyse. Mit dieser Methodik sind wir in der Lage, feine genetische Abweichungen effizient zu entdecken, indem wir einzelne Nukleotide oder Aminosäuren inspizieren. Dieser neuartige Ansatz bringt eine gesteigerte Genauigkeit in der Datenanalyse mit sich und übertrifft damit traditionelle Methoden.

… um Anlagen für bestimmte Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, zu identifizieren?

Prof. Buchkremer: Zum Beispiel. Ein Schwerpunkt unserer Forschung liegt aktuell auf der Untersuchung komplexer entzündlicher Erkrankungen in Zusammenarbeit mit der renommierten Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dabei widmen wir uns beispielsweise dem Mastzellaktivierungssyndrom oder der chronischen spontanen Urtikaria, einer Autoimmunkrankheit. An der Schnittstelle dieser komplexen Krankheiten und der Künstlichen Intelligenz betreue ich auch Doktorarbeiten am Institut für Allergieforschung der Charité. Hierbei sind wir bestrebt, neue Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und innovative Ansätze zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität zu entwickeln.

Wie geht es bei Ihnen weiter mit Künstlicher Intelligenz und Quantencomputern?

Prof. Buchkremer: Im Rahmen der weiterführenden Forschung im Bereich des Quantencomputing und buchstabenbasierter Suchmethoden erwarten wir, dass zukünftige Fortschritte das Tor zu tieferen Einblicken in das menschliche Genom und anderen buchstabenbasierten Daten öffnen werden. Wir beschäftigen uns hier auch intensiv mit ausgefeilten Algorithmen zur Verbesserung von Sprachmodellen wie ChatGPT.

Die Integration von Quantencomputern in unsere Forschungs- und Lehraktivitäten ist ein aufregender Schritt in Richtung einer noch tieferen Ergründung der Datenwelt. Wir sind gespannt auf die kommenden Entwicklungen und freuen uns darauf, gemeinsam mit unseren Studierenden und Forschungspartnerinnen und -partnern weiterhin an der Spitze der Wissenschaft zu stehen.

Herzlichen Dank für diese Einblicke!

Prof. Dr. Rüdiger Buchkremer hat Chemie, Physik und Mathematik mit den Schwerpunkten Biochemie und Theoretische Chemie in Bachelor und Master an der Ruhr-Universität Bochum studiert. An der State University of New York hat er anschließend unterrichtet und im Fachbereich Organische Chemie zum Themenfeld Proteinchemie und Systemmedizin promoviert. Seine Doktorarbeit wurde von den Professoren Udo H. Brinker und M. Stanley Whittingham betreut. Prof. Whittingham erhielt im Jahr 2019 den Nobelpreis für Chemie.

Der erwähnte, im September 2023 in den Scientific Reports der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Journalbeitrag steht unter dem Titel „A biological sequence comparison algorithm using quantum computers“ hier kostenfrei zur Verfügung

Das Interview führte Yasmin Lindner-Dehghan Manchadi M.A. | Referentin Forschungskommunikation der FOM Hochschule | 18.10.2023