Arbeitswelten der Zukunft – 5 Antworten aus der sozialwissenschaftlichen Forschung  

Heute sprechen wir mit Prof. Dr. David Matusiewicz, dem Dekan für Gesundheit & Soziales sowie Direktor des Instituts für Gesundheit & Soziales (ifgs) an der FOM Hochschule. Die Zukunft der Arbeit ist wichtiger Bestandteil der Arbeit am Institut und seines Forschungsprojekts „Teilhabe durch soziokulturelle Öffnung? (Post-) migrantische Fachkräfte und Patient/innen im institutionellen Wandel am Beispiel von Medizin und Pflege“, kurz ToP. Er lehrt Gesundheitsmanagement an den FOM Hochschulzentren Dortmund, Düsseldorf und Essen.

Prof. Dr. David Matusiewicz, Dekan für Gesundheit & Soziales sowie Direktor des Instituts für Gesundheit & Soziales (ifgs) der FOM Hochschule, forscht zu Arbeitswelten der Zukunft (Foto: FOM/Tim Stender)

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) benennt im Rahmen des Konzepts „Wissenschaftsjahr“ jährlich ein Thema, um fächerübergreifend in die Zukunft gerichtet Debatten anzuregen, Wissenschaft erlebbar zu machen und Zukunftsfragen zu beantworten und zu diskutieren. So sollen Forschende mit Bürgerinnen und Bürgern in den Dialog gebracht werden. Thema 2018 sind die Arbeitswelten der Zukunft.

Da an der FOM Hochschule in den unterschiedlichsten Fachbereichen zu diesem Thema geforscht wird, nahmen wir das zum Anlass für eine FOMforscht-Serie. Dies ist Teil drei, Teil eins zur Logistikforschung und Teil zwei zur arbeitswissenschaftlichen Forschung im öffentlichen Sektor wurden bereits hier im FOM Forschungsblog veröffentlicht.

Professor Matusiewicz, wie wird sich die Arbeit in dem Bereich, in dem Sie forschen, in Zukunft verändern?

Prof. Dr. David Matusiewicz:Arbeit wird sich grundlegend verändern. Das liegt zum einen daran, dass sich durch die Arbeit 4.0 Arbeitsaufgaben und Berufe verändern werden und darüber hinaus auch die Möglichkeiten, wie Arbeitgeber durch mehr Flexibilisierung und Individualisierung darauf eingehen können. Im Gesundheitswesen stehen wir vor einer fundamentalen Umbruchphase. Zum einen gibt es in Zukunft viel mehr Schnittstellenberufe und zum anderen wird die Digitalisierung viele Berufsbilder abschaffen, während neue entstehen. Meine These ist, dass alle digitalisierungsfähigen Berufsbilder im Gesundheitswesen auch digitalisiert werden.

Welche Kompetenzen werden gefragt sein?

Prof. Dr. David Matusiewicz:Heute sind Kompetenzen wie Agilität, Flexibilität und Individualität gefragt. Das sind teilweise Kompetenzen, die der Arbeitnehmer im Studium, aber auch „on the job“ erlernen kann. In einem zunehmend dynamischen Umfeld muss sich der Arbeitnehmer immer wieder auf neue Situationen einstellen. Hier passt der Begriff VUCA gut. Das ist ein Akronym, das für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity, also die Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit steht.

Welche Rolle spielt die Forschung allgemein und Ihre im Speziellen bei der Bewältigung der Veränderungen?

Prof. Dr. David Matusiewicz:Ich beschäftige mich mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement und den digitalen Möglichkeiten, die sich hier auftun. War das früher eher eine Kann-Disziplin, ist es heute ein klarer Wettbewerbsfaktor geworden. Unternehmen müssen heute auf die Arbeitnehmer – die noch da sind – gut aufpassen und deren Gesundheit schützen, auch vor dem Hintergrund, dass nur weniger nachkommen, als gebracht werden.

Welche Veränderungen gefallen Ihnen und welche finden Sie gegebenenfalls bedenklich?

Prof. Dr. David Matusiewicz:Was mir an Arbeit 4.0 gefällt, ist ein Zuwachs an Selbstbestimmung, Effizienzsteigerung, Entlastungspotenzialen, Zugriff auf digitales Wissen, Kollaboration und zeitnahem Austausch sowie verbesserte Feedbackkultur. Das kann sich förderlich auf die Arbeitszufriedenheit, Führungsbewertung und die allgemeinen Arbeitsbedingungen auswirken.

Was ich bedenklich finde, sind die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit, also eine fehlende Life-Domain-Balance und der hochfragmentierte Arbeitsalltag – es gibt nur noch wenige Möglichkeiten, im Arbeitsalltag in einen „Flow“ zu kommen, um hier im Sinne der Balance einen Yoga-Ausdruck zu verwenden. Hinzu kommt, dass viele nicht gelernt haben, professionell mit Informations- und Kommunikationstechnologien umzugehen, und dass dennoch die Erwartungshaltung an Arbeitnehmer ist: Sei multilokal, mobil und dauerhaft online. Die Zunahme der Bedeutung nonverbaler elektronischer Kommunikation ist für viele ein Problem: Wie gehen wir miteinander um? Nutzt man Smileys in geschäftlichen E-Mails? Es fehlen Coping-Strategien zur Bewältigung dieser Veränderungen. Auch wenn das nach viel klingt, überwiegen meines Erachtens in Summe aber die Vorteile.

Welches Thema würden Sie sich im Anschluss an das Wissenschaftsjahr 2018 wünschen und warum?

Prof. Dr. David Matusiewicz:Ich freue mich, dass sich hier mein Interesse mit dem des BMBF deckt. Das Thema „Künstliche Intelligenz“ beschäftigt mich zunehmend, hier geht es um die Mensch-Maschine-Interaktion als solche, aber auch um ethische Fragestellungen. Dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Und das auf politischer, wissenschaftlicher und unternehmerischer Ebene. Hier sind die Potenziale viel größer als die Risiken, deshalb brauchen wir eine offene Dialogkultur und einen Diskurs mit allen Akteuren im Gesundheitswesen. Und nicht zu vergessen: den Menschen. 

Herzlichen Dank, Professor Matusiewicz!

 

Das Interview führte Yasmin Lindner-Dehghan Manchadi M.A., Referentin Forschungskommunikation, 25.09.2018