#BWLBashing – Unser Fach in der Krise?
08.11.2016 – Seit Jahren tobt eine Debatte über den Zustand des Studienfaches BWL. Einer der Startpunkte war der (lesenswerte) Aufschrei über die Unzeitgemäßheit der Sozialwissenschaften vom Yale-Physiker Nicholas Christakis. Seitdem gab’s diverse Kommentar-Reihen in den Medien und viel Schattenboxen von akademischer Seite. Aktuell kursiert der Kalauer von der „Betriebswirtschaftsleere“. Was ist dran am Dauer-Lamento über das angebliche Sammelbecken geld- und sicherheitsfixierter Karrieristen, über unfähige Prognostik, veraltete Inhalte und Pauk-Drill? Prof. Dr. Friederike Müller-Friemauth vom KCT KompetenzCentrum für Technologie- & Innovationsmanagement der FOM Hochschule beobachtet die Debatte in drei Beiträgen aus zukunftsforscherischer und milieugeschulter Perspektive.
Teil 1: BWL als Sammelbecken geldgieriger Karriereristen?
Ist ein BWL-Studium heute Milieu-Bildung für ideenlose Aufstiegsfanatiker („mit möglichst wenig Aufwand zum Millionär“)? Derzeit studieren rund 230.000 Menschen unser Fach. Laut einer Umfrage aus 2015 räumt mittlerweile fast die Hälfte der BWL’er ein, dass der eigene Berufsstand „in einer Legitimationskrise“ stecke – und die Zweifler nehmen zu (von 42 Prozent 2010 auf 46 Prozent 2015). Dabei geht es kaum um die Reputation der einzelnen Hochschulen: Denn selbst Business Schools wie Harvard, Wharton oder Insead vermitteln dasselbe BWL-Wissen wie normale Hochschulen. Die hohen Preise rechtfertigen die Institute mit Selektivität („wir nehmen nur die Besten“), individualisiertem Lern-Service und Arbeitgeberkontakten für die weiche Landung danach. Die Job-Aussichten finden nicht nur heutige Studierende attraktiv, sondern kurioserweise auch die zahlreichen aktuellen Kritiker der BWL, die seinerzeit die gleichen Vorlieben hatten und heute über den angeblichen Stumpfsinn des Faches räsonieren: fast ausnahmslos Wirtschaftswissenschaftler! Bloß schwächt dies in keiner Weise den Boom des Faches. Woran liegt das? Tatsächlich an der behaupteten Ideen- und Fantasielosigkeit der Klientel – oder gar ihrer pekuniären Orientierung?
Vorne dabei im Chor der Wortführer sind zahlreiche Journalisten und Unternehmer wie Rolf Dobelli, Autor und Mitgründer von getabstract, der lesefaulen Managerinnen und Managern Summaries über angesagte Bücher verkauft – und mit seinem BWL-Bashing zeitgemäß Akquise betreibt (Motto: ‚Vergesst die Akademiker, für BWL reicht auch mein Fast Food-Format!’). Auch für Publizisten oder Hochschul-Representatives ist die Nörgelei ein einträgliches Geschäft, denn ein vermeintlich kritisches Profil hilft bei Reputationsmanagement und SEO – und aufgrund ihrer Größe ist die Zielgruppe attraktiv. Der Berater und Journalist Axel Gloger etwa hat gleich ein passendes Buch dazu geschrieben, und Stephan A. Jansen, geschäftstüchtiger ehemaliger Präsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, dem wegen des Aufbaus eines universitätsinternes Provisionssystems Betrug und Bestechlichkeit vorgeworfen werden, bereitet gerade ein weiteres vor. Nestbeschmutzung war schon immer einträglich, neu ist das alles nicht.
Wieso also sind nur die anderen, die heute Jungen, wegen ihrer Karriereorientierung kritikwürdig? Und wieso fällt die Scheinheiligkeit dieser Behauptung kaum jemandem auf? Dass die BWL inzwischen als eine Art Generalschlüssel für gesellschaftlichen Erfolg gilt, ist keine Schande, sondern zunächst einmal ein Erfolgs- und Zukunftsfaktor des Faches! ABER: Selbstverständlich kann man fragen, ob die Erfolgsrezeptur in ihrer jetzigen Form noch zeitgemäß ist. Bloß ist das eine Frage nach dem Profil des Faches, und mitnichten ein Grund zur Abwertung von Fachangehörigen. Wie die Kollegen aus Psychologie und Systemtheorie in solchen Fällen treffend bemerken: Derlei sagt nicht viel über den Sachverhalt, aber eine Menge über die Sprecher.
Prof. Dr. Friederike Müller-Friemauth, KCT KompetenzCentrum für Technologie- & Innovationsmanagement
Der nächste Teil BWL als Pauk-Fach für veraltetes Wissen? erscheint am 15.11.2016.
Das Sachbuch Silicon Valley als unternehmerische Inspiration ist in der FOM-Edition bei Springer Gabler erschienen.
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