Nur mal kurz die Welt (zusammen) retten? Das Für und Wider transformativer Forschung  

transformativeforschung22.09.2016 – Nordrhein-Westfalen richtet seit der 2013 vereinbarten Forschungsstrategie „Fortschritt NRW“ die Forschungsförderung an großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem digitalen Wandel oder Arbeit 4.0 aus. Ziel ist es, eine umsetzungsorientierte sowie trans- und interdisziplinäre Forschung und Entwicklung anzureizen bzw. zu stärken und Wirtschaft und Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen. Das Land will Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für diese Forschungsmethodik ausbilden und setzt vor diesem Hintergrund das Förderprogramm Fortschrittskollegs NRW um. Die an Universitäten beheimateten Fortschrittskollegs verknüpfen verschiedenen Disziplinen wie die Naturwissenschaften mit den Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften, damit die Promovierenden lernen, mit Forschenden dieser unterschiedlichen Disziplinen sowie mit nicht-wissenschaftlichen Partnern zusammenzuarbeiten. Am 21. September gab es unter dem Titel Transformative Forschung: Wo steht NRW? eine erste Zwischenbilanz. Ausgangsfragen für die Veranstaltung waren: Welche Erwartungen haben Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft an das Wissenschaftssystem? Welche Themen sind vorrangig? Wie kann eine engere Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Wissenschaft konkret aussehen und auf welche Alltagshürden trifft transformative Forschung?

Nach einer Begrüßung und Einführung durch NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze wurde verschieden Fortschrittskollegs und Innovationsnetzwerke vorgestellt. Darunter das regionale Innovationsnetzwerk (RIN) „Kinder- und Jugendgesundheit durch erfolgreiches Präventionsmanagement“ von MedEcon Ruhr, an dem sich auch die FOM Hochschule im Rahmen des RIN Forschungskolloquiums 2015 beteiligt hat.

Prof. Dr. Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, referierte im Anschluss über Ergebnisse einer ersten Befragung der geförderten Projekte. Viele der Vorhaben beklagen demnach den hohen Zeitaufwand, der im Rahmen transformativer Forschung und der damit verbundenen Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse zwischen den verschiedenen Akteuren entsteht. Befürchtet wurde, dass eine Anerkennung der Forschungsleistungen in den beteiligten Einzeldisziplinen ggf. nicht gegeben sein könnte, da der hohe Zeitaufwand letztlich zu einer geringen Publikationsfrequenz und damit zu einem geringeren Impact führen könne. Fraglich bleibt für viele Beteiligte auch, wo die ausgebildeten Doktoranden eine wissenschaftliche Heimat finden sollen und welche wissenschaftlichen Karrieren für diese möglich sein werden.

Im Rahmen des Panels, an dem sich auch Prof. Dr. Gregor Engels, Leiter des Kollegs „Gestaltung von flexiblen Arbeitswelten“, Dr. Mandy Singer-Brodowski von der TU Berlin, Prof. Dr. Till van Treek vom Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung und Dr. Steffi Ober von der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende beteiligten, kam es zu einer kontroversen Diskussion über das Spannungsfeld zwischen transformativer und tradierter Forschung im bestehenden System des Wissenschaft. Es wurde die Frage nach neuen Kriterien für die Beurteilung der Qualität und der wissenschaftlichen Exzellenz in der transformativen Forschung diskutiert. In diesem Kontext wurde auch darauf hingewiesen, dass es keine etablierten Journals für die Ergebnisse transformativer Forschung gebe und daher eine Würdigung der Forschung in der Wissenschaft derzeit nicht wirklich möglich sei. Konträr diskutiert wurde auch die Frage nach der Berechtigung des Einwirkens von Politik und Gesellschaft auf das wissenschaftliche System und die inhaltliche Ausrichtung der Forschung an den Universitäten.

Die Veranstaltung zeigte, dass die Diskussion um transformative Forschung an den Universitäten engagiert und pointiert geführt und sicherlich noch einige Jahre fortgeführt werden wird. Eine Beteiligung der traditionell anwendungsorientiert forschenden Fachhochschulen an der Diskussion wäre aus meiner Sicht sehr interessant gewesen und hätte das Potenzial, den Diskurs in Zukunft zu erweitern und vielleicht auch zu bereichern.

Dipl.-Ing. (FH) Christoph Hohoff, Leiter des Bereichs Support Forschung an der FOM