„Die FOM wird daran gemessen, ob und wie wir den Umgang mit Diversity in Forschung, Lehre und Praxis gestalten“  

Prof. Dr. Anja Seng (l.) und Lana Kohnen
Prof. Dr. Anja Seng (l.) und Lana Kohnen

26.09.2016 – Prof. Dr. Anja Seng und Lana Kohnen sind die Gesichter des Diversity Managements an der FOM. Seit 2015 gemeinsam im Dienste der Vielfalt unterwegs bündeln die Rektoratsbeauftragte und die wissenschaftliche Mitarbeiterin die unterschiedlichen Aktivitäten der Hochschule. Ihre Zielsetzung: die Potenziale sozialer Vielfalt nutzbar zu machen. Wie sie selbst zum Thema Vielfalt stehen und welche Projekte sie als nächste in Angriff nehmen, verraten sie im Doppel-Interview.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Diversity befasst?

Lana Kohnen: Während meines Studiums der Geschlechterforschung an der Ruhr-Uni Bochum. Dort habe ich ein Seminar zum Thema Diversity Management besucht. Mir hat die Thematik damals sehr gefallen. Spannend fand ich vor allem die Frage, ob Diversity eine Weiterentwicklung innerhalb der Geschlechterforschung sein kann oder nicht.

Anja Seng: In meinem eigenen BWL-Studium habe ich das Konzept „Diversity Management“ erstmal lehrbuchartig kennengelernt. In meiner Zeit bei dem belgisch geführten und international aufgestellten Unternehmen EMDS konnte ich Diversity dann im beruflichen Alltag erfahren. In meinem ersten großen Forschungsprojekt „FiF – Frauen in der chemischen Industrie“ war ich gefordert, mich intensiv mit der Dimension Gender auseinanderzusetzen – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Damals habe ich erkannt, dass gerade beim Thema „Frauen und Karriere“ in Deutschland viel zu tun ist – nicht zuletzt auch aus einer Reflexion der eigenen Betroffenheit heraus. Als ich dann die Chance bekam, Rektoratsbeauftragte für Diversity Management an der FOM zu werden, habe ich sie gern ergriffen, um den Umgang mit Gender, aber auch mit all den anderen Dimensionen aus Sicht der Hochschule zu gestalten.

Was bedeutet Vielfalt für Sie persönlich?

Lana Kohnen: Vielfalt beinhaltet für mich die Chance, über meinen Tellerrand hinaus zu blicken, meinen Horizont zu erweitern und im besten Fall sogar Stereotype abbauen zu können. Denn dort, wo Menschen vielfältig sind – vor allem innerhalb von vermeintlich homogenen Gruppen – kommt man mit Pauschalisierungen nicht allzu weit.

Anja Seng: Für mich bedeutet Vielfalt gleichermaßen Chance und Herausforderung. Denn es heißt immer, sich mit Neuem und meist auch Fremdem auseinanderzusetzen. Damit verbunden sind viele spannende und interessante Momente, aber auch immer wieder viel Selbstreflexion.

Wo liegen Ihre Aufgaben bzw. Schwerpunkte im Rektoratsprojekt Diversity Management?

Lana Kohnen: Ich habe als studentische Hilfskraft im Diversity Management angefangen und hatte dann zum Abschluss meines Masterstudiums die Möglichkeit, meine Arbeit im Rektoratsprojekt auszubauen. Da ich bislang die einzige wissenschaftliche Mitarbeiterin bin, begleite ich im Grunde alle unsere Projekte. Meine Aufgaben reichen dabei von der Vorbereitung von Tagungsbeiträgen und Workshops bis hin zur Auswertung der FOM Frauen-Foren.

Anja Seng: Einer meiner Schwerpunkte liegt auf der Vernetzung – sowohl innerhalb als auch außerhalb der FOM. Auf diese Weise will ich so viele Menschen wie möglich für die Chancen von Vielfalt gewinnen. Denn – wenn wir ehrlich sind – zwei Frauen alleine können nicht viel bewegen, wenn nicht auch Führungskräfte und Mitarbeitende hinter einer Diversity orientierten Hochschule stehen.

Warum ist Vielfalt für eine Hochschule wie die FOM ein so wichtiges Thema?

Lana Kohnen: Das Thema Chancengerechtigkeit gehört für mich zum gesellschaftlichen Auftrag einer Hochschule – egal, ob privat oder staatlich. Zudem gilt: Nur, wenn die Vielfalt von Menschen respektiert und idealerweise auch gefördert wird, besteht die Chance, dass alle – Lehrende, Studierende, Mitarbeitende – ihr Bestmögliches zeigen können.

Anja Seng: Und gerade an einer Hochschule wie der FOM kommt diese Vielfalt in ganz unterschiedlichen Dimensionen zum Ausdruck: Die Lehrenden bringen völlig verschiedene berufliche Hintergründe und Erfahrungen, regionale Bezüge und persönliche Lebenserfahrungen und Kompetenzen mit. Unsere Studierenden sind ebenfalls sehr vielfältig – gar nicht mal so sehr in den klassischen primären Dimensionen, sondern geprägt durch die Zielgruppe der FOM: Auszubildende und Berufstätige. Sie kommen aus unterschiedlichen Branchen, Unternehmensgrößen, Funktionen und bringen diverse Berufserfahrungen und somit Perspektiven mit. In der Lehre gilt es, sie alle abzuholen, zu involvieren oder – wie eine Kollegin aus England so schön sagt – „to engage them“.

Nicht zuletzt spielt Vielfalt auch in der Organisation der FOM eine große Rolle: In den verschiedenen Bereichen der Lehrkoordination sind nicht nur Mitarbeitende aus über 28 Nationalitäten beschäftigt, auch im Leitbild der FOM sind „Vielfalt und Internationalität“ als Maxime verankert. Auch die Hochschulrektorenkonferenz und der Wissenschaftsrat fordern mehr Diversity an Hochschulen. Wir werden also daran gemessen, ob und wie wir den Umgang mit Diversity in Forschung, Lehre und Praxis gestalten.

Was waren aus Ihrer Sicht die bislang wichtigsten Entwicklungen im Rektoratsprojekt?

Anja Seng: Die Etablierung des Projekts per se und danach die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt, da es mir das Committment der Unternehmensleitung signalisierte. Die Forschungspublikation Vielfalt leben und Vielfalt gestalten war ein erstes inhaltliches Highlight – denn die Befragung verlief eher „nebenbei“. Die Ergebnisse waren aber so deutlich, dass wir unsere weitere Arbeit darauf aufbauen konnten und können.

In diesem Jahr ging zudem im Online-Campus der FOM Hochschule der Bereich „Diversity“ im Kontext „innovative Lehre“ auf Sendung. Wir sind sehr zufrieden, den Lehrenden dadurch ergänzend zu den halbjährlich stattfindenden Workshops unter dem Titel „Umgang mit heterogenen Gruppen“ auch ein Online-Angebot machen zu können. Sie finden hier Informationen und auch Tools, um Diversity in ihrer Lehre zu berücksichtigen und einzubinden.

Lana Kohnen: Darüber hinaus ist es uns gelungen, den Themen Diversity und Diversity Management eine immer größere Sichtbarkeit zu verschaffen – sowohl intern als auch extern. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass wir von Kolleginnen und Kollegen aus der gesamten Hochschule immer mehr Anfragen zum Umgang mit Vielfalt bekommen. Mit Blick auf die Außenwirkung sind wir gerade 2016 auf vielen Veranstaltungen gewesen, haben auf unsere Projekte aufmerksam gemacht und viel neuen Input mitgenommen.

Ein Beispiel: Mit der Teilnahme am Professionalisierungskurs „ProfiLS“ von KomDiM scheinen wir uns in der Community der Hochschulen und Universitäten im Thema „Diversity in der Lehre“ gut zu positionieren. Durch die zunehmenden Einladungen zu Forschungstagungen und auch Workshops an anderen Hochschulen erkennen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Anja Seng: Wir haben einiges vor. Viele Dinge sind noch in der Vorbereitung, aber konkret können wir schon Folgendes sagen: Im Bereich Lehre werden wir die bereits erwähnte Online-Plattform optimieren und mit weiteren Inhalten füllen. Im Bereich Forschung wollen wir einen Round Table zum Thema Diversity starten, um die Vernetzung der Forschenden zu unterstützen. Mit Blick auf die Praxis wird das Format der FOM Frauen-Foren fortgesetzt und weiter ausgebaut.

Ein Blick in die Zukunft: Welche Rolle wird Diversity Management an der FOM in zehn Jahren spielen?

Anja Seng: Eine große. Wenn auch nicht notwendig als „Abteilung“ organisiert, sondern integriert in sämtlichen Hochschulbereichen: in der Lehre, in der Didaktik ebenso wie in Forschung und internen Prozessen.

Lana Kohnen: Das spiegelt auch die generell immer wichtiger werdende Rolle von Diversity Management wider. Gesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel und die Globalisierung führen dazu, dass sowohl Hochschulen als auch Unternehmen Vielfalt und Diversität verstärkt berücksichtigen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diversity ist also definitiv mehr als eine Modeerscheinung – nicht nur für die FOM.

Wie sah Ihr Weg an die Hochschule aus?

Lana Kohnen: In der finalen Phase meiner Masterarbeit hab ich mich auf die Hilfskraftstelle im Diversity Management beworben und bis zum Abschluss meines Studiums in dieser Position gearbeitet. Seit November 2015 bin ich jetzt wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rektoratsprojekt und arbeite darüber hinaus mit im Projekt IntraKomp des ifpm Institut für Public Management. Dabei geht es um die Feststellung und Entwicklung von Kompetenzen insbesondere bei älteren und weiterbildungsfernen Beschäftigten.

Anja Seng: Ich bin über einen persönlichen Kontakt zur FOM gekommen. Ein früherer Kunde von mir erzählte, er habe einen Ruf an die FOM erhalten – da habe ich sofort mein Interesse signalisiert. Keine vier Wochen später meldete er sich mit einer konkreten Option in der Lehre. Diese Chance habe ich genutzt und die neue Herausforderung zusätzlich zu meiner damaligen 50-Prozent-Stelle in einer Unternehmensberatung und fünf Monate altem Baby angenommen. Die Beratungsstelle habe ich bald in eine Freiberuflichkeit überführt und so parallel Praxisprojekt und Lehre absolviert. Diese Konstellation erlaubte mir eine hohe Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung, so dass ich auch mit der Geburt des zweiten Kindes keine wirkliche Elternzeit einlegen „musste“. Ich habe – wenn möglich – zusätzliche Aufgaben sowohl in der Lehre als auch in der Studienorganisation übernommen. 2007 wurde ich dann als Professorin berufen und habe seither durch Engagement auf verschiedenen Ebenen weitere Erfahrungen an der FOM gesammelt.

Welche Stationen haben Sie vorher absolviert?

Lana Kohnen: Ich habe ein Bachelor-Studium in Sozialer Arbeit an der Universität Duisburg Essen absolviert und danach ein paar Jahre als Sozialarbeiterin gearbeitet. Nach einer Fortbildung in Genderpädagogik hat mich das Thema Geschlechterforschung so gereizt, dass ich beschlossen habe, den Master „Gender Studies“ anzuschließen. Ich habe es nicht bereut, da mir das Studium wirklich sehr gefallen hat. Umso schöner ist es, dass ich mich bei meiner Tätigkeit im Rektoratsprojekt weiterhin mit diesen spannenden Fragen beschäftigen darf.

Anja Seng: Ich habe im Wesentlichen vertrieblich gearbeitet – auf der Visitenkarte stand zwar „Beratung“, doch ich nenne es selbst gern „Vertrieb“. Von der Neuakquiese bis zur langjährigen Kundenbindung war hier alles dabei – es hat mich sehr geprägt, weil es sowohl die Offenheit gegenüber Neuem fordert als auch eine Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit impliziert. Ich glaube und hoffe, dass ich beides noch heute sowohl gegenüber Studierenden, Netzwerkkontakten, Geschäftspartnern und -partnerinnen als auch gegenüber den Kolleginnen und Kollegen an der FOM nutze und lebe.