Intuition und Vertrauen in der BWL: Interview mit der Forschungsgruppe „Behavorial Finance“
Im November hat die Forschungsgruppe „Behavorial Finance“ ihre Arbeit aufgenommen: Prof. Dr. Volker Eickenberg und Prof. Dr. Thomas Holtfort wollen die Vertrauens- und Intuitionsforschung vorantreiben. Warum das – gerade für Wirtschaftswissenschaftler – ein eher ungewöhnliches Thema ist, verraten sie im Interview.
Wo genau liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?
Thomas Holtfort: Wir setzen da an, wo die traditionelle BWL nicht weiterkommt. Prof. Dr. Eickenberg setzt sich mit der Frage auseinander, wie Unternehmen Vertrauen in einem (potenziellen) Kunden wecken und halten können. Meine Schwerpunkte lauten Verhaltensökonomie und Intuition. Dabei setzte ich mich u.a. mit folgenden Fragen auseinander: Wie treffen Wirtschaftssubjekte – vor allem im Finanzbereich – Entscheidungen? Sind rationale oder intuitive Entscheidungsfindungen besser? Welche verschiedenen Facetten gibt es von Intuition? Kann man Intuition gar trainieren?
Und: Kann man sie trainieren?
Thomas Holtfort: Man kann einerseits seine Achtsamkeit trainieren, um Informationswahrnehmung, Urteilsbildung und Entscheidungen zu optimieren. Hier geht es auch nicht darum, die Ratio außen vor zu lassen, sondern beides in ein vernünftiges Gleichgewicht zu bringen, indem ich zuerst Informationen bewusst aufnehme, mich aber dann von einem Problem abwende, um der Intuition mehr Raum zu geben. Eine weitere Möglichkeit ist die stärkere Berücksichtigung von heuristischer Intuition, in der Form, dass es sich häufig lohnt nur einige wenige Merkmale bzgl. einer Lösungsfindung in Betracht zu ziehen. Die Wissenschaft zeigt, gerade bei Geldanlageentscheidungen, dass hier weniger manchmal mehr ist.
Intuition in der Führungsetage – ist das für Manager wirklich ein Thema?
Thomas Holtfort: Viele Führungskräfte verlassen sich bei ihren Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl oder ihr Unterbewusstsein. Sie sprechen nur selten darüber. Es gibt auch Studien, die belegen, dass intuitiv getroffene strategische Entscheidungen besser sind als rational getroffene Entscheidungen. All das will ich fass- und greifbar machen und mit der BWL verknüpfen.
Volker Eickenberg: Und da ergibt sich auch die Schnittstelle zu meinem Forschungsschwerpunkt: Wer kein Vertrauen hat, kann schließlich nicht intuitiv reagieren.
Auch Vertrauen ist ein Thema, das man nicht unbedingt in der BWL erwartet…
Volker Eickenberg: Solange Vertrauen da ist, ist das Thema auch nicht wichtig. Schwierig wird es, wenn das Vertrauen weg ist…
Können Sie ein Beispiel nennen?
Volker Eickenberg: Nehmen wir an, Sie fahren seit Jahren Autos einer bestimmten Marke. Sie kaufen die Fahrzeuge, weil Sie das Design und die Funktionalität gut finden, weil Sie sich mit dem Wagen wohlfühlen – und weil Sie der Marke vertrauen. Wenn aber das Auto plötzlich liegenbleibt oder Sie im Kundenservice ein schlechtes Erlebnis hatten, ist dieses Vertrauen ganz schnell wieder weg.
Vor allem in der Versicherungsbranche spielt Vertrauen eine ganz große Rolle. Ich war dort jahrelang im Vertrieb tätig und habe gemerkt: Einzelne Produkte ließen sich schlecht verkaufen, weil sie kein Vertrauen geweckt haben. Deshalb möchte ich untersuchen, wie dieser zerbrechliche Zustand entsteht und was Unternehmen tun können, um es zu wecken und zu erhalten.
Wie wollen Sie dabei vorgehen?
Volker Eickenberg: Stark empirisch. Aktuell untersuche ich beispielsweise die wenigen Doktorarbeiten zu diesem Thema. Auch die Studierenden möchte ich in diese Untersuchungen einbinden. Schließlich ist auch Bildung bzw. Wissensvermittlung eine unsichtbare Dienstleistung, bei der Vertrauen eine große Rolle spielt. Warum entscheiden sich Studierende für ein berufsbegleitendes Studium an der FOM? Denkbar sind auch Master-Arbeiten. Eine Studierende befasst sich beispielsweise aktuell mit dem Thema „Vertrauen intendierte Kommunikation zur Kundenbindung“.
Und wie sehen die weiteren Planungen für die Forschungsgruppe „Behavorial Finance“ aus?
Thomas Holtfort: Unser erster Schritt ist, Unterstützung zu suchen und auf das Thema aufmerksam zu machen. Geplant sind beispielsweise ein Workshop mit Führungspersönlichkeiten sowie Seminare und Trainings zu Intuition und Vertrauen.
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