Key Account Management: Digitale Tools, KI und Ängste – Worauf es jetzt im Vertrieb ankommt, erklärt Prof. Jörg Westphal im Interview  

Prof. Dr. Jörg Westphal lehrt an der FOM Hochschule Betriebswirtschaftslehre, insbesondere marktorientierte Unternehmensführung. Nun hat ihn The Association for Key Account Management (AKAM) in ihr Academic Advisory Board berufen. Im Interview verrät er uns die Gründe dafür und wie Künstliche Intelligenz und digitale Transformation das Key Account Management verändern – und warum junge Talente sich frühzeitig darauf vorbereiten sollten.

Herr Professor Westphal, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berufung in den wissenschaftlichen Beitrat der AKAM! Wie ich hörte, haben Sie sich nicht für dieses Amt beworben, sondern man kam auf Sie zu. Das ist eine besondere Ehre, nicht wahr?

Prof. Dr. Jörg Westphal: So ist es, die AKAM ist international eine der wichtigsten Vereinigungen für Key Account Management. Und ihre Mitgründerin und Vorsitzende Dr. Diana Woodburn kam auf mich zu. Sie hat sich dem Key Account Management verschrieben und vielbeachtete Bücher zum Key Account Management veröffentlicht. Renommierte Unternehmen zählen zu den AKAM-Mitgliedern. Ich fühle mich also sehr geehrt.

Wofür steht die AKAM?

Prof. Westphal: Ihr Ziel ist, das Key Account Management, kurz „KAM“, akademisch gestützt durch renommierte Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft zu professionalisieren. Die AKAM stellt Forschungserkenntnisse und Praxisfälle bereit. Regelmäßige Events, Workshops und jährliche Tagungen sorgen darüber hinaus für Aktualität, Professionalisierung und Austausch.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für Ihre Berufung in diesen akademischen Beirat?

Prof. Westphal: Bereits seit rund 40 Jahren befasse ich mich mit dem Key Account Management. Es war das Thema meiner Promotion und bereits davor habe ich in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zu diesem Themenfeld geforscht. Auch in der Folge war es weiterhin stets Gegenstand meiner Forschung und Lehre, beispielsweise im Rahmen unseres Master-Studiengangs „Sales Management“. Die Kombination des Studiengangs aus wissenschaftlicher Fundierung und starker Praxisorientiertheit wird für die AKAM auch von großem Interesse sein. Dieses Master-Programm läuft bei uns bereits seit 10 Jahren, so dass ich hier einen großen Erfahrungsschatz aufweisen kann. Diese Mischung aus Forschungs- und Lehrexpertise war sicher der Grund für meine Berufung.

Welche aktuellen Trends im Key Account Management sollten Ihrer Meinung nach besonders junge Talente und Studierende im Hinblick auf die Zukunft im Blick haben?

Prof. Westphal: Ein wesentlicher Trend ist der zunehmende Einfluss der digitalen Transformation und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf berufliche Rollen, Arbeitsweisen und Prozesse. Besonders interessant ist dabei die Bereitschaft und das Tempo, mit dem Unternehmen diese Veränderungen adaptieren, die sogenannte „Organisational Readiness“. Oftmals werden digitale Transformationen durch das Top-Management initiiert, ohne die Bereitschaft der Organisation oder die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausreichend zu berücksichtigen. Dies führt nicht selten zu Überforderungen, insbesondere bei Außendienstmitarbeitenden im Vertrieb, die plötzlich mit neuen digitalen Tools arbeiten sollen. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von CRM-Systemen: Häufig werden diese von Mitarbeitenden lediglich als Kundenverwaltungssystem genutzt, statt als wertschöpfende Werkzeuge im Verkaufsprozess. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass wir in unserem Master-Studiengang zum Sales Management ein Modul zum „Digital Selling“ integriert haben, um Studierende gezielt auf den sinnvollen Einsatz solcher Systeme vorzubereiten. Denn wie in der Vertriebsforschung empirisch belegt ist, führt das Fehlen oder unzureichende Schulungen von Beschäftigten zu Unsicherheit und Überforderung mit neuen Technologien. Diese Unsicherheiten werden durch eine verbreitete Angst vor Arbeitsplatzverlust im Zuge der Digitalisierung noch verstärkt. Diese Ängste können bei Mitarbeitenden zu Stress und Burnout führen. Die aktuelle, von mir betreute Promotion von Dr. Fabian Lauzi befasst sich beispielsweise mit den positiven und negativen Auswirkungen von Sales-Enablement-Programmen auf die Vertriebsleistung in der Software-as-a-Service-Industrie.

Herzlichen Dank für diese Einblicke!

Als Mitgründer des KCMS KompetenzCentrum für Marketing & Sales Management der FOM hat er dieses langjährig auch wissenschaftlich geleitet. Seine Forschung im Bereich Vertriebsmanagement publiziert er in international renommierten wissenschaftlichen Fachjournals.

Weiterführende Publikationen unter Beteiligung von Prof. Westphal:

Rouziou, M., Bolander, W., Peesker, K., Hautamäki, P., Rangarajan, D., Samaraweera, M., Bullemore, J., Klein, M., Agnihotri, R., Burgdorff Jensen, K., Pimentel Claro, D., Fournier, C., Gonzalez, G., Guenzi, P., Kadić-Maglajlić, S., Lai-Bennejean, C., Palomino-Tamayo, W., Ramos, C., Ryals, L., Salas, J., Shi, H., Squire, P., Westphal, J. (2024): Global Events Demand Global Data: COVID-19 Crisis Responses and the Future of Selling and Sales Management around the Glob, in: Journal of International Marketing https://doi.org/10.1177/1069031X241282431, SageJournals, ISSN: Online ISSN: 1547-721 (im Druck)

Lauzi, F., Westphal, J., Rangarajan, D., Schaefers, T., Parra-Merono, M., De-Juan-Vigaray, M. (2022): Understanding sales enablement in complex B2B companies: Uncovering similarities and differences in a cross-functional and multi-level case study, in: Industrial Marketing Management, S. 47-64, Elsevier BV, Netherlands, ISSN: 198501

Das Interview führte Yasmin Lindner-Dehghan Manchadi M.A. | Referentin Forschungskommunikation der FOM Hochschule | 20.11.2024