„Warnsignale bei Wirecard“ – Datenkompetenz zahlt sich aus, Studenten der FOM haben analytischen Fachbeitrag in Fachmagazin veröffentlicht
Zwei berufsbegleitend Studierende der FOM Düsseldorf haben im Rahmen einer Hausarbeit eine Vielzahl von Daten zum aktuellen Finanzskandal um den Finanzdienstleister Wirecard analysiert und frühe Warnsignale identifiziert. Gemeinsam mit ihrem Betreuer Prof. Dr. Frank Lehrbass, der am ifes Institut für Empirie & Statistik sowie am isf Institute for Strategic Finance der FOM Hochhschule forscht, erarbeiteten sie daraus einen Fachbeitrag, den das Fachmagazin CORPORATE FINANCE in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht hat. Er trägt den Titel „Warnsignale bei Wirecard: Eine Entzauberung in drei Akten“ und ist auch online verfügbar.
Herr Toksoy und Herr Wörndl, wie sind Sie auf diese „Entzauberung“ gekommen?
Fabian Wörndl:In unserem Ökonometrie-Kurs hat uns Herr Professor Lehrbass gezeigt, was sich hinter Datenkompetenz verbirgt. Die Kursdaten von Wirecard auf ihre wesentlichen Treiber hin zu analysieren, erschien als reizvolle Anwendung der erlernten Techniken. Schließlich studieren wir „Finance & Banking“.
Wie hat Ihr Arbeitgeber diesen Theorie-Praxis-Transfer gesehen?
Fabrice Toksoy: Zum Glück arbeiten wir ja nicht bei Wirecard, sondern bei der Commerzbank. Trotzdem haben wir uns mit dem Paper gegen die hauseigenen Analysten positioniert. Unser Professor hat uns stets darauf trainiert, kritisch zu denken. Auch die Commerzbank hat unsere Recherche gefreut, schließlich zeigt sie unsere erlernte Expertise.
Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit? Gab es Warnsignale bei Wirecard?
Frank Lehrbass: Bereits vor der Veröffentlichung des KPMG-Prüfberichts am 27.04.2020 fiel Wirecard als sehr besonderer Zahlungsdienstleister auf. Erklärungsfaktoren, die bei den Peers Mastercard und Visa über 70 % der Kursbewegungen der letzten neun Jahre erklären, sind bei Wirecard ohne Erklärungskraft. Die Aktienkursbewegungen von Wirecard werden wesentlich durch Nachrichten getrieben. Negative Nachrichten reißen den Kurs um zweistellige Prozente nach unten, positive um einstellige Werte nach oben.
In der Summe sieht es nicht gut aus für einige Akteurinnen und Akteure am Finanzplatz Deutschland. Es bleibt zu fragen, wem ein Vorwurf zu machen ist: Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die sich schützend vor Wirecard gestellt hat, dem Management von Wirecard, welches die Anleger allem Anschein nach hinter das Licht geführt hat, oder dem Prüfer EY, der regelmäßig Abschlüsse testierte.
Hingegen scheinen die Shortseller das Spiel Wirecards durchschaut zu haben und bewiesen einen gesellschaftlichen Mehrwert, indem sie auf Ungereimtheiten in der Wirecard-Bilanz hinwiesen und durch ihre Short-Positionen Preissignale generierten. Zudem wurde einmal mehr deutlich, wie wichtig eine freie Presse und gute Corporate Governance, insbesondere unabhängige Aufsichtsräte, sind.
Haben Sie ein konkretes Beispiel für so ein Warnsignal?
Fabrice Toksoy: Die Veröffentlichung des Berichts von KPMG. Sie führte zu einem Kurseinbruch von 25 %. Es war schon äußerst besorgniserregend, dass es selbst KPMG nicht gelang, das Geschäft von Wirecard in Gänze nachzuvollziehen.
Hätten Sie erwartet, in einer angesehenen Fachzeitschrift publizieren zu dürfen?
Fabian Wörndl:Wir hatten uns schon zum Ziel gesetzt, ein aufmerksamkeitsstarkes Thema aufzugreifen und haben damit glücklicherweise einen Nerv getroffen. Schlussendlich wird gute Leistung oft belohnt, was hier erneut bewiesen werden konnte.
Herr Prof Lehrbass, Sie haben nun schon 15 Mal mit Studierenden der FOM publiziert. Woher kommt das große Interesse der Fachmedien?
Frank Lehrbass: Der Vorteil unserer Studierenden besteht darin, dass sie bereits im Berufsleben stehen. Das heißt, sie wissen schon um die Herausforderungen in der Wirtschaft, daher haben sie auch schon ein Gespür für relevante, berufspraktische Fragestellungen. Kann man diese erfolgreich bearbeiten, so sind Fachzeitschriften naturgemäß interessiert.
Ich selbst nutze die Werkzeuge der angewandten Mathematik – Ökonometrie und Big Data Analytics zählen dazu – seit den 1980er Jahren, um solche Fragestellungen anzugehen. Meine Begeisterung dafür ist ungebrochen. Seit 2015 lehre ich an der FOM und versuche, den Studierenden solche Fertigkeiten nahezubringen. Bei meinen beiden Co-Autoren hat es offensichtlich prima geklappt und es würde mich freuen, beide im Master in „Risk Management & Treasury“ oder Master in „Big Data & Business Analytics“ wiederzusehen. Mit einer Studentin aus dem Master in Risk Management & Treasury steht übrigens schon die nächste Publikation fest: „Deviations from Covered Interest Rate Parity: The case of British Pound Sterling versus Euro“ (mit T. S. Schuster), im Journal of Financial Data Science.
Herzlichen Dank für die Einblicke!
Das Interview führte Yasmin Lindner-Dehghan Manchadi M.A. | Referentin Forschungskommunikation | 30.07.2020
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