Neue Entwicklungen bei der Besteuerung von Schein-Renditen aus Schneeballsystemen – eine kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes  

Bei der Kapitalanlage im Rahmen betrügerischer „Schneeballsystemen“ werden dem arglosen Anleger Gewinne mitgeteilt, die niemals entstanden sind und nicht entstanden sein können. Der betrügerische Initator dieser Schneeballsysteme lässt die Anlegegelder lediglich „im Kreis“ zwischen verschiedenen, von ihm kontrollierten Gesellschaften laufen, wobei jeweils erhebliche Gebühren einbehalten werden. Die entsprechenden Scheingewinne werden im Anlageprodukt wiederangelegt. Falls ein Anleger eine Auszahlung fordert, erfolgt dies, mangels Gewinnen können diese Zahlungen jedoch nur aus dem Betrag der Einlage erfolgt sein.

Foto: FOM/Yasmin Lindner

Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht solche Auszahlungen in ständiger Rechtsprechung seit der „Ambros“-Entscheidung vom 10.07.2001 als Einkünfte aus Kapitalvermögen beim Anleger an, auch wenn es sich nachweislich nicht um Gewinne handeln kann. Nur wenn der Initiator des Schneeballsystems eine Auszahlung an den Anleger ablehnt, weil er nicht leistungsbereit oder nicht leistungsfähig ist, scheide eine Steuerbarkeit der Scheingewinne aus. Daran ändert sich nach Auffassung des BFH auch nichts, wenn der Initiator des Schneeballsystems den Anlegern die Wiederanlage nahelegt, da er den Zusammenbruch des Schneeballsystems verhindern wolle.

Der BFH hat mit dieser restriktiven Ansicht anderslautende Urteile der Finanzgerichte stets aufgehoben.

Im Rahmen einer neuen Studie hat Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer, kooptierter Wissenschaftler des KCAT KompetenzCentrum für Accounting & Taxation, die Schwachstellen dieser Rechtsprechung des BFH aufgezeigt. „Eine Auszahlung in dieser Konstellation kann immer nur eine Auszahlung der Einlage sein“, so Prof. Fischer, „denn Gewinne konnten ja nicht erzielt werden“. Der BFH argumentiere einseitig nur mit der Frage, ob der Initiator des Schneeballsystems durch seine Zahlungsfähigkeit einen Zufluss beim Anleger herbeiführe, ohne darauf einzugehen, ob die Geldmittel aus Beträgen anderer Anleger oder der Einlage des betroffenen Anlegers herrühren.

Der BFH verkenne hierbei, so der FOM Wissenschaftler, dass dem Anleger rechtmäßig nur Zahlungen aus einer Rendite – die bei Schneeballsystemen nicht vorhanden ist – oder aus der Rückzahlung der Einlage des Anlegers möglich seien. Da es sich bei der Zahlung von Geld nur um eine Gattungsschuld i.S.d. § 243 BGB handele, bestehe beim Anleger stets ein Rückzahlungsanspruch seiner Einlage, ungeachtet der Frage, wie der Initiator des Schneeballsystems diese Einlage finanziert.

Nunmehr ist aus der neueren Rechtsprechung des BFH eine Tendenz zu einer Trendwende zu erkennen. „Wären Schein-Gewinne steuerpflichtig, dann wäre auch der vollständige Verlust der Anlage nach dem ‚Platzen‘ des Schneeballsystems durch Insolvenz des Anlagemodells in voller Höhe ein steuerlich zu berücksichtigender Verlust“, so Prof. Fischer. Zusätzlich hat der BFH in neueren Entscheidungen die Beweislast für die Frage, ob nach den Kriterien seiner Rechtsprechung die Anlagegesellschaft leistungsbereit ist, dem Finanzamt aufgebürdet.

Überdies wurde auch aus zivilrechtlicher Sicht vom BGH mehrfach bestätigt, dass der Insolvenzverwalter einer Anlagegesellschaft eines Schneeballsystems die gezahlten Schein-Renditen zulässigerweise als objektiv unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechten und vom Anleger zurückfordern kann.

Insgesamt ist somit eine Trendwende in dieser Rechtsprechung abzusehen, so Prof. Dr. Fischer.

Support Forschung der FOM Hochschule | 18.11.2019