Wirtschaft vordenken: Buzzwords der ökonomischen Zukunftsdebatte – Teil 1: Moonshot  

Corporate Foresight ist als Instrument der Zukunftsvorsorge seit Jahrzehnten etabliert, effizient und nützlich.

Foto: FOM/Tim Stender

In Fortsetzung unserer Serie über ökonomische Zukunftsforschung aus dem Jahr 2017 nehmen wir in einer neuen, heute startenden Serie aktuelle Entwicklungen ins Visier, unter anderem Bewertung und Einordnung der sogenannten „Moonshot-Methode“ (radikale Innovationsentwicklung), „New Leadership“ in modernen Unternehmen, Digitalisierung auf humane Art und was mit künstlicher Intelligenz auf dem Spiel steht.

Moonshots als Methode –  wie funktioniert radikale Innovationsentwicklung?

Der Begriff „Mondschüsse“ stammt aus den USA und steht für revolutionäre Umwälzungen, die außergewöhnlich langfristig angelegt sind. Von Deutschsprachigen werden Moonshots oft mit Joseph A. Schumpeters Idee der „schöpferischen Zerstörung“ assoziiert, da Moonshots in aller Regel disruptive, also radikal umwälzende Wirkungen entfalten: Sie legen etablierte Branchen lahm, begründen neue Märkte und weisen den Weg in unbekannte Dimensionen.

Solche durchschlagenden Innovationen haben das Ziel, kaum vorstellbare Ideen umzusetzen und Wirklichkeit werden zu lassen. Der Begriff „Moonshot“ wird vor allem in kalifornischen Unternehmen verwendet, die sich mit Zukunftsforschung beschäftigen. Astro Teller etwa, der Chef-Visionär von Google, nennt sich „Captain of Moonshots“ – Ansprechpartner für jede durchschlagende Idee, die für das Unternehmen langfristig interessant sein könnte (so skurril sie zunächst auch erscheinen mag). Dabei geht es zumeist um Zeiträume von 100, mitunter auch 200 Jahren. Auf der Agenda stehen dabei Ziele wie, den Krebs zu besiegen oder den Weltraum zu erobern – der Mars ist erst der Anfang.

Verrückt? Für den BWL-Verstand ja. Nur sind solche Projekte mit betriebswirtschaftlichen Kriterien kaum bewertbar. Sie beleuchten eine Zukunftsökonomie, in der großartige Visionen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Diejenigen, die einen Moonshot ausrufen, werden – hochwahrscheinlich – seine Verwirklichung selbst nicht mehr erleben, tragen aber die Verantwortung dafür, dass er innerhalb der Organisation „vererbt“ wird.

Friederike Müller-Friemauth, Rainer Kühn (2019): Moonshots. Zur Entwicklung radikaler Innovationen, Hamburg: Tredition

Und zwar als vitale Idee, die alle mitreißt und deshalb stetig verfeinert, nach aktuellen Maßstäben verändert und justiert wird, je nach sozialem und technologischem Fortschritt.

Die unternehmensinterne Entwicklung von Moonshots ist jedoch voraussetzungsreich. Mit Brainstorming-Workshops, einem „Inno-Lab“ auf der grünen Wiese und ein paar kollaborativen Projekten ist es nicht getan. Das gerade erschienene Handbuch „Moonshots“, das ich gemeinsam mit Dr. Rainer Kühn herausgegeben habe, macht das unternehmerische, innovative Denken, das bisher oft nur mit dem „American Dream“ verbunden war, nun auch deutschen Firmen zugänglich. In einem Leitfaden erklären wir diese radikale Innovationsmethode und zeigen, wie es möglich ist, eigene „Corporate Moonshots“ zu entwickeln. Dazu wird die Genese in vier Schritte zerlegt. Die Darstellung dient als Kurzanleitung für Unternehmen, die mit radikalen Innovationskonzepten liebäugeln und prüfen möchten, ob dieser Weg für sie infrage kommt – sowie, falls ja, was sie dazu bräuchten und wie der Prozess funktionieren könnte.

Teil 2 dieser Serie – zum Thema New Leadership in digitalen Firmen – erscheint in der nächsten Woche.  

Prof. Dr. Friederike Müller-Friemauth | KCT KompetenzCentrum für Technologie- & Innovationsmanagement | Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Strategisches Marketing & Innovationsmanagement am FOM Hochschulzentrum Köln | 26.06.2019