Aufsichtsrats-Score 2017: Commerzbank, Stada, Leoni vorn, große Unterschiede bei MDAX-Gesellschaften und Vergütung, Investoren drängen hinein, Gleichberechtigung dauert  

Peter Ruhwedel ist Professor an der FOM, wissenschaftlicher Leiter des KCU KompetenzCentrum für Unternehmensführung & Corporate Governance, geschäftsführender Gesellschafter des diep – Deutsches Institut für Effizienzprüfung und Mitglied im Vorstand der Financial Experts Association e. V. (FEA).

2017 hat er bereits zum siebten Mal die Studie „Aufsichtsrats-Score“ durchgeführt. Der Aufsichtsrats-Score (AR-Score) hat sich seit der erstmaligen Veröffentlichung im Jahr 2011 als anerkanntes Verfahren zur Analyse der Aufsichtsräte in den DAX- und MDAX-Gesellschaften etabliert. Mit der in diesem Jahr erfolgten Überarbeitung der Untersuchungsmethodik wurden regulatorische Veränderungen aufgenommen und der Best-Practice-Ansatz der Studie weiterentwickelt. Der AR-Score analysiert die Aufsichtsräte in den Dimensionen Arbeitsweise, Transparenz und Zusammensetzung.

Prof. Dr. Ruhwedel zeigt beispielhafte Best Practice-Ansätze auf, die der Weiterentwicklung der Aufsichtsrattätigkeit dienen sollen. Ebenso bezieht er sich auf Professionalisierungs- und Vergütungsunterschiede. Für Aufsichtsräte sind seine Ergebnisse in jedem Jahr ein wichtiger Anhaltspunkt, da ihnen auch die Investoren immer mehr „auf die Finger schauen“ und entsprechend agieren.

Als wichtigste Ergebnisse des Aufsichtsrats-Scores 2017 bewertet Professor Ruhwedel diese:

  • Mit einem Durchschnittswert von 67,1% liegt der AR-Score der DAX-Gesellschaften 0,7%-Punkte über dem Vorjahreswert, d. h. die DAX-Gremien erreichen durchschnittlich zwei Drittel der maximalen Punktzahl.
  • Der durchschnittliche AR-Score der MDAX-Gesellschaften (56,1%; -0,2%-Punkte) liegt dagegen weiterhin deutlich unterhalb des DAX-Wertes. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Gesellschaften: Sowohl im DAX als auch im MDAX finden sich zahlreiche Gesellschaften mit sehr hohen Punktwerten; insbesondere im MDAX fallen diese jedoch zum Teil deutlich ab; das heißt eine größere Zahl von Gremien erfüllt die Anforderungen an eine vorbildliche Gremienarbeit nur unzureichend.

  • Die Commerzbank erreicht mit 81,1% den höchsten Punktwert gefolgt von Stada (80,7%), Leoni (80,0%), Osram (79,2%) und Aareal Bank (77,5%) – der hohe Anteil von MDAX-Gesellschaften in den Top Five verdeutlich, dass eine vorbildliche Aufsichtsratsarbeit keine Frage der Indexzugehörigkeit oder Unternehmensgröße ist.
  • Eine durchschnittliche Sitzungsfrequenz von 7,4 (DAX) bzw. 6,8 (MDAX) Sitzungen pro Jahr oder die in 62% (DAX; +20%-Punkte) bzw. 37% (MDAX; +2%-Punkte) durchgeführten Strategieworkshops verdeutlichen die enge Einbindung zahlreicher Aufsichtsräte – gleichzeitig gibt es jedoch noch Gesellschaften, bei denen die Überwachungstätigkeit stark auf den Aufsichtsratsvorsitzenden reduziert zu sein scheint und die Potentiale des Aufsichtsrats-Teams nur unzureichend genutzt werden.
  • Die Unternehmen sind Stand heute nur unzureichend auf die neuen Anforderungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Besetzung von Aufsichtsräten vorbereitet. So stellen nur 42% (DAX) bzw. 17% (MDAX) der Gesellschaften ein aussagekräftiges Anforderungsprofil bereit. Hinweise, inwieweit Wahlvorschläge der Erfüllung des Profils dienen oder ob eine systematische Nachfolgeplanung erfolgt, finden sich bisher zudem nur bei wenigen Gesellschaften – die Besetzungsprozesse sollten daher weiter professionalisiert und die Besetzungsentscheidungen transparenter dargestellt werden.
  • Investoren drängen immer häufiger aktiv in die Aufsichtsräte. Dabei werden Defizite in der Zusammensetzung und Tätigkeit der Gremien genutzt und auch gegen den Willen von Vorstand und Aufsichtsrat eigene Interessen durchgesetzt.
  • Die Schere zwischen der durchschnittlichen Aufsichtsratsvergütung in den DAX- und MDAX-Gesellschaften nimmt wieder zu (DAX: +10% auf 172.000; MDAX + 5% auf 108.000 EUR pro Aufsichtsratsmitglied); dabei bestehen zwischen den Unternehmen teilweise erhebliche Unterschiede (Axel Springer: 333.000 EUR vs. Deutsche Euroshop: 34.708 EUR).
  • Auch unter Berücksichtigung der Arbeitsintensität der Gremien bestehen erhebliche Unterschiede in der Aufsichtsratsvergütung. Trotz einer vergleichbar hohen Durchschnittsvergütung von ca. 250.000 EUR pro Aufsichtsratsmitglied kommen Deutsche Bank-Aufsichtsratsmitglieder aufgrund der hohen Sitzungszahl von Plenum und Ausschüssen auf ca. 2.700 EUR pro Sitzung; ein BASF-Aufsichtsrat erhält dagegen pro Sitzung im Durchschnitt über 16.000 EUR. Die geringste Vergütung pro Sitzung zahlt Fraport mit durchschnittlich 1.700 EUR.
  • Die Einführung der Frauenquote hat zur politisch intendierten Erhöhung des Frauenanteils auf 30% (DAX) bzw. 28% (MDAX) geführt.

„Bisher gibt es jedoch erst zwei weibliche Aufsichtsratsvorsitzende – die gleichberechtigte Teilhabe wird noch einen längeren Transformationsprozess erfordern“, so Professor Ruhwedel.

Die vollständigen Berichte zum Aufsichtsrats-Score 2017 und den AR-Scores aus den Vorjahren finden Sie hier.

Yasmin Lindner-Dehghan Manchadi, Referentin Forschungskommunikation