Personal Change Management ab 55: Coaching als Veränderungsmanagement im letzten Drittel des Berufslebens  

09.11.2017 – „Lebensphasenorientiertes Coaching“ lautet das Thema des Coaching Kongresses am 22. und 23. Februar 2018 im bayerischen Erding. Eine zunehmend wichtiger werdende Phase beleuchtet Prof. Dr. Arnd Schaff in einem Workshop am ersten Veranstaltungstag: das letzte Drittel des Berufslebens. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, auf welche veränderten Bedingungen, Herausforderungen und Kulturen sich Coaches zusammen mit ihren Klient*innen einstellen müssen. Einen Vorgeschmack auf seine Antworten liefert der Wissenschaftler des ifgs Institut für Gesundheit & Soziales im Wissenschaftsblog der FOM Hochschule.

Eine der wichtigsten Aufgaben im Coaching ist die Anpassung des Coaching-Ansatzes auf die individuelle Situation und die Bedürfnisse der Klient*innen. Dabei haben sich der Fokus und das Aufgabenspektrum des Coachings sichtbar gewandelt: Wo früher der Schwerpunkt auf der Begleitung von Führungskräften auf ihrem Karriereweg lag, nehmen heute deutlich breitere Interessentengruppen Coaching als hilfreiches Instrument wahr. Dazu zählen Berufseinsteiger*innen, aber auch zunehmend Menschen im fortgeschrittenen Berufslebenszyklus. Bei dieser Gruppe geht es darum, das letzte Drittel des Berufslebens weiter erfolgreich, vor allem aber befriedigend und sinnstiftend zu gestalten. Gleichzeitig ist schon der nächste Lebensabschnitt des so genannten Ruhestandes sichtbar und drängt auf Vorbereitung und Umstellung. Hier ist Coaching als Veränderungsmanagement im Persönlichen gefragt: Personal Change Management ab 55.

Das erste Drittel des Berufslebens ist geprägt von der Aufgabe, den am besten geeigneten Platz im Arbeitsalltag zu finden und von dort aus mit den Herausforderungen zu wachsen. Es kann dabei darum gehen, eine tiefe Expertise als Fachspezialist*in zu entwickeln oder eine spätere Führungsverantwortung vorzubereiten. Im Coaching spielen dabei die Integration ins Berufsleben und in die konkrete Unternehmung, fachliches und persönliches Lernen sowie die Erarbeitung passender persönlicher Ziele und Vorgehensweisen wichtige Rollen.

Im zweiten Drittel geht es um die Etablierung und den Ausbau einer erfolgreichen beruflichen Laufbahn und Position – in einer fundierten Fachkarriere mit immer größerer Verantwortung oder als Manager*in mit zunehmender Geschäfts- oder Stabsverantwortung. Das Coaching beschäftigt sich in dieser Phase oft mit Führungsthemen, dem eigenen Persönlichkeitsbild, Leistung und Verantwortung sowie dem Umgang mit Erfolg und Misserfolg.

Das letzte Drittel des Berufslebens bringt oft neue und ganz anders geartete Herausforderungen mit sich. Zeitlich lässt sich der Beginn – je nach persönlichem Lebenslauf und Ausstiegsziel – zwischen Anfang und Mitte 50 verorten. In dieser Phase tragen die Motivatoren der ersten beiden Berufsabschnitte oft nicht mehr. Der Wunsch nach einer erfolgreichen beruflichen Laufbahn, verbunden mit Status und finanzieller Würdigung, tritt in den Hintergrund. Gleichzeitig eröffnet sich eine neue Dimension, die insbesondere erfolgreichen Manager*innen oft so gar nicht behagt: der natürliche physische und psychische Alterungsprozess. Dieser Prozess lässt sich zunehmend weniger ignorieren, weder im persönlichen Erleben noch in der Anzahl der verbleibenden Jahre bis zum Ruhestand. Wie zu Beginn des Berufslebens tritt eine (abgewandelte) Sinnfrage in den Vordergrund: Wo soll es noch hingehen, was ist erfüllend? Und zwar in dem Bewusstsein, dass die verbleibende Zeit und die Kräfte endlich sind.

Es sind drei wesentliche Herausforderungen, denen ein Coach in dieser Entwicklungsphase seiner Klient*innen begegnet: Zum einen werden neue Arbeitsweisen, -inhalte oder auch Veränderungen in der Position zunehmend unter dem Blickwinkel des Statuserhalts betrachtet, mit der Frage im Hinterkopf: Bedroht mich die Veränderung in irgendeiner Weise? Egal, ob es um echte oder auch nur gefühlte Herausforderungen geht: Den Klient*innen spielt dabei in unserer Kultur das stark ausgeprägte Bild der „jungen Erfolgreichen“ einen Streich. Es verursacht Selbstzweifel, die zu tendenziell defensivem und mutlosem Handeln führen können, bis hin zu pathologischer Selbstabwertung in depressiven Krankheitsbildern. Die reale Veränderung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit trägt zusätzlich zur Sorge bei, nach einer erfolgreichen Karriere nicht mehr mithalten zu können.

Die zweite Herausforderung ist die Suche nach einem motivierenden Sinn für die verbleibende, immer noch lange Zeit im Arbeitsleben. Die Kernfrage ist: Wenn es nicht mehr der berufliche Aufstieg, Anerkennung, Macht und finanzieller Reichtum sind, die motivieren – reicht die vorhandene Freude an der Aufgabe für diese Phase aus? Und wenn Zweifel daran bestehen: Was sind Alternativen, die zusätzlichen Sinn stiften können? Viele Coaching-Klient*innen treten mit der Aufgabenstellung an ihren Coach heran, die eigene Leistungsfähigkeit und das Durchhaltevermögen soweit „aufzumöbeln“, dass es noch bis zum Ende reicht. Das ist eine unbefriedigende und in der Regel auch nicht erreichbare Zielsetzung, weil es eigentlich um eine grundsätzliche Prüfung der Sinnfrage und gegebenenfalls um eine Richtungskorrektur gehen muss.

Die dritte Herausforderung ist die Vorbereitung der nächsten Lebensphase, des Ruhestandes. Bereits durch seinen Wortsinn wirkt er oft bedrohlich, insbesondere wenn der Fokus bisher nahezu ausschließlich auf der beruflichen Aufgabe gelegen hat. Je weiter der dritte Abschnitt des Berufslebens fortgeschritten ist, desto drängender wird diese Aufgabe. Die besondere Schwierigkeit dabei ist, dass die Motivation für die verbleibenden Arbeitsjahre auf der einen Seite und der Aufbau eines Lebens „nach der Arbeit“ auf der anderen Seite scheinbar erst einmal in Konkurrenz zu stehen scheinen. Entweder ist die Motivation für die aktuelle und auch noch einige Jahre andauernde Arbeit hoch, dann erscheint die Vorbereitung des Ausstiegs eher wie der Gang ins Exil. Oder die Motivation ist schon weit gesunken, dann kann die Vorbereitung des Ausstiegs zur Flucht werden – die allerdings nicht weit trägt, weil dadurch die verbleibende Arbeitszeit unendlich lang zu werden scheint. Die Kunst des Coachings besteht hier darin, die Klient*innen dabei zu unterstützen, den letzten Arbeitsabschnitt erfüllt zu gestalten und gleichzeitig bzw. parallel neue bereichernde Lebensinhalte oder sogar ein neues Leben aufzubauen.

Ansatzpunkte und Ideen liefert dazu das Change Management: In Anlehnung an bewährte Methoden zur Bewältigung von Veränderungsprozessen im Unternehmen lassen sich hilfreiche Ideen und Analogien für das Personal Change Management ab 55 ableiten.

Prof. Dr. Arnd Schaff, ifgs Institut für Gesundheit & Soziales