Tag zwei des Wirtschaftswissenschaftlichen Forums stand im Zeichen der deutsch-türkischen Freundschaft  

Prof. Dr. Kocagöz,Prof. Dr. Bakirci, Arif Tasdelen (MdL), Prof. Dr. Heupel, Prof. Dr. Orak & Prof. Dr. Özen
Prof. Dr. Kocagöz,Prof. Dr. Bakirci, Arif Tasdelen (MdL), Prof. Dr. Heupel, Prof. Dr. Orak & Prof. Dr. Özen

„Ich wünsche uns, dass heute viele weitere deutsch-türkische Freundschaften und Partnerschaften entstehen.“ Mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Gerald Mann den zweiten Tag des Wirtschaftswissenschaftlichen Forums „IT und Innovationsmanagement – deutsche und türkische Perspektiven für den wissenschaftlichen Diskurs und zur Erschließung von praxisrelevanten Erfolgspotenzialen“. Der wissenschaftliche Studienleiter der FOM München hieß die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Räumlichkeiten der Hochschule willkommen und lieferte Hintergrundinfos zum Studienzentrum in der Arnulfstraße.

Anschließend übernahmen Prof. Dr. Orhan Kocagöz und Prof. Dr. Fehim Bakirci das Mikrofon. Die beiden Wissenschaftler waren als E2E-Projektleiter maßgeblich an der Vorbereitung und Organisation des Forums beteiligt. Prof. Dr. Kocagöz beleuchtete das Thema der Veranstaltung durch die türkische Brille. „IT und Innovationen sind die Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes“, betonte der FOM Professor. Mit den aktuellen Parametern könne niemand zufrieden sein: Im Global Innovation Index rangiere die Türkei beispielsweise nur auf Platz 141, und der Exportanteil von High-Tech-Gütern liege bei nur 4,6 Prozent. „Um mehr Innovationen und neue Produkte zu entwickeln, müssen Strategien und Forschungseinrichtungen ausgebaut werden.“ Dass in dieser Richtung schon einiges passiert, stellte Prof. Dr. Bakirci von der Atatürk Universität Erzurum heraus. „Unser Land hat sich einige Ziele gesetzt, und wir sind auf einem guten Weg, diese zu erreichen – auch dank Kooperationen zwischen nationalen und internationalen Hochschulen wie der FOM.“

Diese These vertrat auch Arif Tasdelen in seiner Keynote. Der erste türkischstämmige Abgeordnete im Bayerischen Landtag hob hervor: „Zu Deutschland pflegt die Türkei die intensivsten Wirtschaftsbeziehungen. Diese Beziehungen müssen meiner Meinung nach vertieft und ausgebaut werden. Das funktioniert vor allem durch Austausch – sowohl auf politischer und wirtschaftlicher Ebene als auch auf schulischer und hochschulischer Ebene.“ Dabei könnten beide Länder voneinander profitieren. Als Beispiel führte Arif Tasdelen die Flüchtlingskrise an. „Die türkische Community könnte viel zur Verbesserung der Situation in Deutschland beitragen – u.a. mit ihrem Wissen über die muslimische Religion und ihren vielfach vorhandenen arabischen Sprachkenntnissen.“

Erfolgsfaktoren(messung) von Innovationen

Wie der deutsch-türkische Austausch auf wissenschaftlicher Ebene aussehen kann, stellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz „IT und Innovationsmanagement – deutsche und türkische Perspektiven für den wissenschaftlichen Diskurs und zur Erschließung von praxisrelevanten Erfolgspotenzialen“ eindrucksvoll unter Beweis. Selcuk Bakan gewährte beispielsweise Einblicke in elektronische Abfragesysteme im türkischen Steuerwesen, während Imran Aslan auf die Social-Media-Nutzung türkischer Studierender einging.

Sabrina Sylla präsentierte Erfolgsfaktoren für Crowdfunding-Projekte. Wer für seine Ideen erfolgreich finanzielle Mittel eintreiben wollen würde, müsse bei der Platzierung im Internet verschiedene Dinge beachten. „Die Belohnungsstufen müssen beispielsweise differenziert sein“, erläuterte sie in ihrem Vortrag. „Auch eine gute Erklärung der Value Proposition sowie eine kommunikative Begleitung einer Kampagne haben positive Effekte.“ Erfolgsfaktoren standen auch im Zentrum des Beitrags von Prof. Dr. Axel Müller. Der FOM Experte ging der Frage nach, wie kleine und mittelständische Unternehmen auch ohne Budget für eigene Forschungs- & Entwicklungsabteilungen innovativ sein können. Seine Antwort: über die Teilnahme an interorganisationalen Innovationsnetzwerken.

Technische Innovationen

Um technische Innovationen in ausgewählten Branchen drehte sich einer der beiden parallel laufenden Tracks. Siegfried Weinmann, Kay Axhausen und Christoph Dobler sprachen über die Wirkung von Verkehrsinformationen und Entscheidungen der Fahrer auf den Straßenverkehr. Mohamed Krini nahm in seinem Vortrag „Audio and Speech Signal Processing for Seat Belt Microphones in Automobile Environments“ ins Visier, während Thomas Christiaans und Stefan Steden einen Blick auf Cloud Computing in der Versicherungswirtschaft warfen. Osman Demordögen, Hamit Erdal und Ahmet Ilker Akbaba analysierten schließlich die Erfolgsfaktoren von Innovationen in türkischen Logistikunternehmen.

Banking & Finance

Dem Banken- und Finanzsektor war ein eigener Track gewidmet. Hier ging es u.a. um Islamic Banking in Deutschland (Andree Elsner), das türkische Bankensystem im Vergleich zum deutschen, US-amerikanischen und chinesischen (Barry Massey, Christian Hose und E. Karaca), den Einsatz von Predictive Analystics im Risikomanagement (Adem Alparslan und Stefan Röth) sowie Social Impact Bonds als Finanzinnovation (Prof. Dr. Thomas Holtfort).

Innovation: general perspectives

Nach der Mittagspause ging es mit übergreifendem Input zum Thema Innovationen weiter. Alexander Schmidt von der FOM Hochschule gab seinen Zuhörerinnen und Zuhörern einen Werkzeugkoffer für den Umgang mit disruptiven Innovationen an die Hand. „Es existieren sowohl Know-how als auch Konkurrenz bezogene Strategien, die Unternehmen in einer solchen Situation ergreifen können“, erklärte er. „Die Range reicht dabei von Ignorieren über die Imitation von Innovationen bis zur Adaption und Weiterentwicklung von Innovationen.“

Die Innovationsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen in ländlichen Gebieten durch bedarfsorientierte Beratung zu stärken, hat sich ARTIE auf die Fahnen geschrieben. Bastian Paulsen hat Effektivität und Effizienz dieser Initiative untersucht und schlussfolgerte: „Der Wissensaustausch funktioniert! Beratung und Expertenvermittlung führen in der Tat zu Kooperationen und Innovationen und fördern darüber hinaus die Innovationskultur des jeweiligen Unternehmens.“

Türkei und türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland

Das Thema emotionales Ethno-Marketing stand im Mittelpunkt des Vortrags von Julia Hermann. Sie arbeitete im Track „Türkei und türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland“ Unterschiede der emotionalen Werbewirkung heraus. Basis ihres Vortrags war eine empirische Untersuchung von unterschiedlichen emotionalen Reaktionen auf Werbung, die sie im Rahmen ihrer Masterthesis durchgeführt hatte. Ergebnis: „Humorvolle Werbestimuli ohne ethnisch relevanten lösen die gleichen Reaktionen bei den türkischstämmigen und deutschen Konsumenten aus, während humorvolle Werbespots mit anstößigen Inhalten unterschiedlich bewertet werden.“

IT und Informationssicherheit

Ein Punkt, der bei aller Innovation nicht in Vergessenheit geraten darf, ist die Sicherheit. Ihr war der Track „IT und Informationssicherheit“ gewidmet. Börtecine Salih Avci, Abdulkadir Kaya, Ali Coskun und Dilsad Güzel griffen das Thema aus der Perspektive türkischer Universitäten auf. Ihr Beitrag lautete: „The Effects of Information System Security Awareness and Commitment on Information System Security Culture“. Thomas Romeyke stellte anschließend strategische Aspekte der IT-Sicherheit bei der Softwareauswahl von Unternehmen in der ‚Nach-Snowden-Ära‘ zur Diskussion.

IT in der betrieblichen/öffentlichen Anwendung

Mit dem Schwerpunkt Software startete auch der Track „IT in der betrieblichen/öffentlichen Anwendung“: Yusuf Ziya Ayik berichtete über den Einsatz betrieblicher IT-Systeme und Softwarepakete und stellte Auswahlkriterien für Softwarepakete vor. Danach wurde die Frage erörtert, wie eine Anwendung der density based clustering-Method bei der Ermittlung von Krankheitsbildern von Patienten unterstützt. Die Vortragenden: Hüdaverdi Bircan und Selim Cam.

IT und Social Media

Die sozialen Medien durften beim 2. Wirtschaftswissenschaftlichen Forum selbstverständlich auch nicht fehlen. Im gleichnamigen Track wurde u.a. diskutiert, wie Open Innovation auf Facebook stattfinden kann. Asuman Sarikaya stellte fest: „Die Plattform liefert gute Voraussetzungen, um externe Impulse und Ideen zu generieren. Allerdings sollten die Ideengeber insbesonders auf eine eventuelle rechtliche Benachteiligung sowie weitere Risikofaktoren wie das Arbeitgeber-Erfindungs-Gesetz und ihre Verschwiegenheitspflicht achten.“

Mit dem Einsatz von Social Media im Bereich Healhcare befasste sich Imran Aslan. „Facebook, Twitter & Co. bringen Patienten, Ärzte, Forscher, Politiker und Pfleger zusammen und werden auch verstärkt von diesen Gruppen genutzt“, betonte er. Allerdings seien gerade die Patienten skeptisch gegenüber den Informationen, die sie auf diesem Wege erhalten würden. „Sie wünschen sich eine Absicherung sämtlicher Daten durch Gesundheitsexperten oder wollen zumindest wissen, von wem die jeweiligen Informationen kommen.“

Weg von Patienten und hin zu den sogenannten Digital Natives führte der Vortrag von Andreea Wurster. Sie hatte Studierende in Deutschland, China und Rumänien zu ihrer Haltung zu Mobile Payment befragt. „Existierende Bezahlungsmethoden wie Bargeld oder Kreditkarte wurden von den jungen Leuten als sicher, bequem, einfach und überall verfügbar eingeschätzt“, fasste die FOM Expertin die Ergebnisse zusammen. „Mobile Payment – ob im Laden oder im Online-Shop – stehen sie zwar aufgeschlossen gegenüber, haben aber Bedenken in puncto Sicherheit.“

Das letzte Wort des Tages hatte Prof. Dr. Winand Dittrich. Der Direktor des KompetenzCentrums für interdisziplinäre Wirtschaftsforschung & Verhaltensoekonomie verabschiedete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und stellte in Aussicht, dass die im Rahmen von E2E gebaute Brücke zwischen Deutschland und der Türkei in den kommenden Jahren erweitert werde. „Wir denken über eine weitere gemeinsame Konferenz – vermutlich in der Türkei – nach und würden uns freuen, wenn Sie und Ihr Know-how dann wieder mit dabei sind“, gab er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern mit auf den (Heim)Weg.

Stefanie Bergel, Referentin Forschungskommunikation