„Der Mittelstand blutet aus, wenn keine neuen Unternehmen gegründet werden“  

Prof. Dr. Farid Vatanparast (l.) und Prof. Dr. Holger Wassermann bei der Eröffnung des KCE in Berlin (Foto: Steffi Greuel)
Prof. Dr. Farid Vatanparast (l.) und Prof. Dr. Holger Wassermann bei der Eröffnung des KCE in Berlin (Foto: Steffi Greuel)

 

Ihre Ziele: einen Beitrag zur Sicherung und Weiterentwicklung des Standortfaktors Mittelstand zu leisten sowie Deutschlands Gründerkultur anzukurbeln. Um das zu erreichen, setzen Prof. Dr. Farid Vatanparast und Prof. Dr. Holger Wassermann vom am 13. November gegründeten KompetenzCentrum für Entrepreneurship & Mittelstand der FOM auf das Know-how und die Netzwerke der Hochschule: Sowohl Studierende und Dozenten als auch Unternehmen und Verbände bringen sich in die Forschungsarbeit des KCE ein und gewährleisten den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnis in die Praxis – und umgekehrt.

Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, ein KompetenzCentrum für Entrepreneurship & Mittelstand zu gründen?

Prof. Dr. Vatanparast: Weil Deutschland aktuell in einer Gründungsmisere steckt, um DIHK-Präsident Eric Schweitzer zu zitieren. Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag ging die Zahl der Gründungsgespräche im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 227.703 zurück. Anders ausgedrückt: Im Vergleich zu 2010 hat sich die Anzahl der Unternehmensgründungen in 2014 um etwa 100.000 auf etwas über 400.000 verringert. Gerade im Vergleich zu Ländern wie Indien, Israel oder den USA sind das erschreckende Zahlen. Und die nicht weniger erschreckende Folge: Der Mittelstand – das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – blutet aus, wenn keine neuen Unternehmen gegründet werden.

Woran liegt das?

Prof. Dr. Wassermann: Das hat verschiedene Gründe. Zum Beispiel nimmt durch den demografischen Wandel die Zahl der jungen Menschen ab, die traditionell eher geneigt sind, das Risiko einer Gründung einzugehen. Gleichzeitig haben die Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten Generation Y und ihrer Nachfolger ganz andere Erwartungen an ihr (Arbeits)Leben: Die 20-Stunden-Woche ist das Ideal. Die Aussicht, als Unternehmer 60 bis 80 Stunden pro Woche zu arbeiten, wirkt entsprechend abschreckend. Die meisten Hochschul-Absolventinnen und Absolventen streben folglich eine Karriere in etablierten Unternehmen an, die wenigsten wagen den Schritt in die Selbstständigkeit.

Prof. Dr. Vatanparast: Es gibt auch kulturelle Gründe. Unser KCE Kollege Prof. Dr. Jens Wuttke war im Frühjahr diesen Jahres im Rahmen des Programms Entrepreneurship, Innovation and Collaboration in the United States sieben Tage lang in den USA unterwegs. Sein Eindruck: Während die Amerikaner ihren Nachwuchs ermutigen, Risiken einzugehen, wird hierzulande sehr vor Risiken gewarnt. Eine abgesicherte Anstellung mit festem Gehalt ist besser als eine unsichere Selbstständigkeit, so die Botschaft. Gleichzeitig gilt Scheitern in den USA als Chance bzw. Zwischenschritt zum Erfolg. Aus einem Fehler kann ein Gründer für die Zukunft lernen. Dieser Zuspruch fehlt in Deutschland. Den Gründern wird oft der Mut genommen, es trotz Scheitern weiter zu versuchen.

Wie wollen Sie das ändern?

Prof. Dr. Vatanparast: Wir wollen einen Beitrag zur Sicherung und Weiterentwicklung des Standortfaktors Mittelstand leisten – und das über ganz unterschiedliche Wege. Einer wird sicherlich über die Lehre führen. Wir wollen unsere Studierende informieren, motivieren und zur Diskussion anregen. Warum sind die meisten von ihnen angestellt? Was hindert sie am Schritt in die Selbstständigkeit? Und wie kann es ihnen gelingen, eine gute Idee in eine Gründung zu übersetzen?

Prof. Dr. Wassermann: Gleichzeitig wollen wir den Studierenden Input vermitteln, den sie direkt in ihren Unternehmen umsetzen und dadurch den Fortbestand ihres Arbeitgebers sichern können. Zum Beispiel mit Blick auf das große Thema Nachfolgeregelung. Denn vielen Mittelständlern fehlt es an Flexibilität. Unsere motivierten Studierenden und ihr aktuelles akademisches Know-how können dort viel bewegen.

Und dieser Input stammt wiederum aus der KCE Forschung?

Prof. Dr. Vatanparast: Genau. Als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wollen wir Theorie und Praxis zusammenbringen. Wir kooperieren bereits mit dem DMB Deutscher Mittelstandsbund und haben gefragt: Was bewegt eure Mitglieder? Wo braucht ihr Input aus der Forschung? Diesen Bedarf spielen wir dann an die Kollegen in den einzelnen Säulen des KCE weiter: Unternehmensführung, Controlling, Marketing, Krisenmanagement, Personal, Finanzierung, Recht oder Gesundheit.

Prof. Dr. Wassermann: So ist beispielsweise auch das Programm für unsere Gründungsveranstaltung entstanden, denn sowohl etablierte mittelständische Unternehmen als auch Start-ups sehen in der Finanzierung ihrer Vorhaben nach wie vor eine große Hürde. Deshalb haben wir Finanzierungswege außerhalb der klassischen Hausbank aufgezeigt.

Prof. Dr. Vatanparast: Und deshalb haben wir auch so viele Kolleginnen und Kollegen aus der FOM Hochschule ins Boot geholt. Sie repräsentieren alle Facetten eines Unternehmens und können ihr Know-how mit Blick auf die speziellen Bedürfnisse von Start-ups und Mittelständlern zum Einsatz bringen und passgenaue Lösungen entwickeln.

Wie wird sieht so ein typisches KCE Projekt aussehen?

Prof. Dr. Wassermann: Bei einem Projekt wird es beispielsweise um Controlling im Mittelstand gehen. Begonnen hat es als Studierendenprojekt: Die Studierenden haben auf Anfrage von Verbänden Controlling-Konzepte für mittelständische Unternehmen entwickelt – inklusive Handlungsempfehlungen, Checklisten, Modellen und Softwareprogrammen. Das wollen wir ausbauen.

Prof. Dr. Vatanparast: Im Zentrum eines weiteren Projektes wird Social Entrepreneurship stehen. Also die Frage, wie ein mittelständisches Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch gemeinnützig arbeiten kann. Ein Schwerpunkt wird dabei die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund sowie ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger sein. Zum Beispiel mit Blick auf die vielen Flüchtlinge, die aktuell in unserer Land strömen und schnell ins Berufsleben integriert werden sollten.