Steigender Druck am Arbeitsplatz? Multitasking ist keine Lösung!  

Zeit- und Leistungsdruck nehmen in der modernen Arbeitswelt offensichtlich immer stärker zu. Beschäftigte reagieren auf die hohen Arbeitsanforderungen in unterschiedlicher Weise. Einige wählen unter Zeitdruck die Variante, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Auch wenn dies teils als besondere Fähigkeit und Leistungsstärke insbesondere in modernen Berufen interpretiert wird, gilt es hierbei einen Blick auf aktuelle Studien zu werfen.

Zunehmend sind die Beschäftigten durch hohe Arbeitsbelastung und steigende Arbeitskomplexität stark psychisch belastet. Stressoren bei der Arbeit, die zu einem Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und eigenen Ressourcen führen, münden häufig in mangelnder Erholungsfähigkeit und reduzierter Konzentrationsfähigkeit. Damit vereinbarte Ziele termingerecht erledigt werden können und Kunden die gewünschte Leistung oder die bestellten Produkte fristgemäß erhalten, greifen Beschäftigte daher vermehrt auf das sogenannte Multitasking zurück. Insbesondere bei der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsmedien liegt es oft nahe, praktisch gleichzeitig zu telefonieren und am Bildschirm die eingehenden E-Mails zu checken oder kurz eine Internetrecherche durchzuführen. Diese mehr oder weniger gleichzeitige Erledigung unterschiedlicher Aufgaben stellt allerdings einen sehr komplexen Vorgang und eine große Herausforderung für das menschliche Gehirn dar.

Nach Salvucci (2005) können Multitasking-Anforderungen in mehrere Kategorien unterteilt werden:

  1. Aufeinanderfolgende diskrete Aufgaben, bei denen zwischen zwei Aufgaben hin und her gewechselt wird. Beispiel: Telefonat ist beendet – Eingabe im Rechner vornehmen und beenden – neues Telefonat usw.
  2. Gleichzeitige diskrete Aufgaben, wenn die nächste Aufgabe bereits beginnt, bevor die erste beendet ist. Beispiel: Telefonat führen und bereits mit der Eingabe im Rechner beginnen – Telefonat beenden – weitere Eingaben vornehmen und neues Telefonat annehmen.
  3. Kontinuierliche Aufgaben, die durch gelegentliche diskrete Aufgaben unterbrochen werden. Beispiel: Erstellen einer Tabelle, zwischendurch eine persönliche Anfrage eines Kollegen.
  4. Zusammengesetzte gleichzeitige, kontinuierliche Aufgaben. Beispiel: Tabelle bearbeiten, dabei mit Kollegen sprechen und einen Blick auf das Smartphone werfen, um eingehende Mitteilungen zu checken.

Wie die Beispiele zeigen, sind Multitasking-Anforderungen eng mit Unterbrechungen verknüpft und werden in kurzen Wechseln mit Unterbrechungen eng hintereinander bearbeitet – aber nicht simultan und nicht ohne Nachteile. Denn bei einer externen Arbeitsunterbrechung kann es ca. acht Minuten dauern, bis an der Stelle weitergearbeitet werden kann, wo vorher der laufende Denkprozess unterbrochen wurde. Dies kann die Anstrengungen unter zusätzlichem kognitiven Ressourceninput weiter erhöhen oder die Qualität und Produktivität reduzieren. Leistung definiert als Arbeit pro Zeit nimmt in jedem Falle ab.

Dabei können manche Tätigkeiten scheinbar ohne Probleme parallel oder simultan durchgeführt werden, dies hängt jedoch vor allem von der jeweiligen Ebene der Handlungsregulation ab. So ist es z.B. möglich Einrad zu fahren und dabei Musik zu hören. Allerdings ist dies schon problematisch, wenn jemand Einrad fahren gerade erst lernt und sich gleichzeitig auf ein Gespräch konzentrieren soll. Das bedeutet, je mehr kognitive Ressourcen intensive Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern, desto weniger lassen sich Aufgaben gleichzeitig gut erledigen. Heute gilt es als gesichert, dass das menschliche Gehirn rein physiologisch nicht in der Lage ist, gleichzeitig auf mehrere Anforderungen mit gleich hoher Aufmerksamkeit zu reagieren. Entweder wird das Gespräch voll und ganz verfolgt oder die Aufmerksamkeit zielt auf das Erlernen des Einradfahrens. In beiden Fällen ist das Ergebnis suboptimal.

Die Herausforderungen in der modernen Arbeitswelt sind aktuell hoch und anspruchsvoll und die Vielfalt der neuen Medien gehört zum Leben dazu. Arbeit sollte daher zum einen hinsichtlich der Beanspruchungen organisiert und strukturiert werden. Hierzu sollten auf betrieblicher Ebene moderne Problemlösungs- und Handlungskonzepte entwickelt werden, die den Beschäftigten individuelle Handlungsspielräume mit Pufferzonen bieten. Möglicherweise können sich dann in Organisationen neue Kompetenzen entwickeln, die es ermöglichen, auch in einer dynamischen Arbeitswelt Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Produktivität und Innovation im Interesse aller zu sichern.

Prof. Dr. Ulrike Hellert, wissenschaftliche Direktorin des iap Institut für Arbeit & Personal an der FOM Hochschule