„Crowdfunding ist als potenzielle Ergänzung zur klassischen Kreditfinanzierung im Mittelstand zu betrachten“  

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Prof. Dr. Sebastian Serfas (Foto: SG-Fotografie)

Ist Crowdfunding eine Finanzierungsoption für den deutschen Mittelstand? Auf jeden Fall, betonte Prof. Dr. Sebastian Serfas bei der Eröffnung des KCE KompetenzCentrum für Entrepreneurship & Mittelstand in Berlin. Im Interview erläutert der FOM Experte die Vorteile dieser Finanzierungsoption und geht der Frage nach, warum viele KMU Crowdfunding trotzdem nicht auf dem Schirm haben.

Das Motto der Veranstaltung lautete „Finanzierung ohne Banken“. Kann oder soll Crowdfunding die Kreditfinanzierung durch Banken denn ersetzen?

Prof. Dr. Serfas: Crowdfunding zählt zwar zu den sogenannten „alternativen Finanzierungsformen“, das bedeutet aber definitiv nicht, dass Crowdfunding die Finanzierung durch Banken ersetzen soll! Vielmehr ist Crowdfunding typischerweise als Ergänzung zur klassischen Kreditfinanzierung zu betrachten. Beide Komponenten ergänzen sich sehr gut. Dementsprechend besteht hier meist auch gar keine echte Konkurrenz zur Bank.

In der Öffentlichkeit wird Crowdfunding trotzdem meist als Alternative zur Bank wahrgenommen oder dargestellt. Woran liegt das?

Prof. Dr. Serfas: Das liegt daran, dass sich die öffentliche Diskussion und Wahrnehmung von Crowdfunding immer noch sehr stark um Start-ups, Internet-Unternehmen oder soziale Projekte drehen. Hier kommt eine Kreditfinanzierung durch Banken aus verschiedenen Gründen aber meist gar nicht in Frage, so dass auf Crowdfunding zurückgegriffen wird anstatt auf Bankkredite. Im Hinblick auf Mittelständler sieht das jedoch ganz anders aus. Im Mittelstand wird typischerweise ein signifikanter Anteil der Finanzierung durch Bankkredite gedeckt, so dass Crowdfunding hier klar als potenzielle Ergänzung zu sehen ist.

Wie stehen denn die Banken dem Crowdfunding gegenüber? Verderbe ich es mir vielleicht sogar mit meiner Hausbank, wenn ich als Mittelständler plötzlich über Crowdfunding nachdenke?

Prof. Dr. Serfas: Nein, ganz und gar nicht! In den allermeisten Fällen sehen es Banken sogar positiv, wenn ein Unternehmen über ergänzende Crowdfinanzierung nachdenkt. Beispielsweise wird dadurch – je nach Variante – oft das anrechenbare Eigenkapital gestärkt und dementsprechend das Bankrating des Unternehmens verbessert. Das bringt auch Vorteile für die Bank. Zum Beispiel im Zusammenhang mit Basel III, da diese für den Kredit weniger Eigenmittel hinterlegen muss. Außerdem bietet ein gut umgesetztes Crowdfunding neben dem reinen Finanzierungsaspekt oft eine Vielzahl weiterer Vorteile und Möglichkeiten für das operative Geschäft des Unternehmens, was ja auch positiv für die Hausbank ist.

Welche weiteren Vorteile oder Möglichkeiten bietet Crowdfunding denn noch für ein mittelständisches Unternehmen, abgesehen vom reinen Finanzierungsaspekt?

Prof. Dr. Serfas: Hier gibt es ein sehr breites Feld an Vorteilen und Möglichkeiten. Ein gut durchdachtes und umgesetztes Crowdfunding-Projekt sorgt natürlich erst mal für Aufmerksamkeit und Werbung. Auch aus der Interaktion mit den gewonnenen „Klein-Investoren“ kann ein Unternehmen viele Vorteile ziehen, beispielsweise neue Ideen oder Produkte testen oder authentisches Markt-Feedback einsammeln. Oft werden die Geldgeber auch selbst zu treuen Kunden und fungieren als „Markenbotschafter“ bei Freunden und Bekannten. Was hier für ein Unternehmen konkret möglich ist hängt aber natürlich stark an der konkreten Ausgestaltung des Crowdfundings und daran, wie dieses letztlich umgesetzt und in der Praxis gelebt wird.

Gibt es denn schon Beispiele von Mittelständlern die Erfahrungen mit Crowdfunding gemacht haben?

Prof. Dr. Serfas: Es gibt zahlreiche Beispiele in verschiedenen Industrien. Diese reichen von der Baubranche bis zum Textilunternehmen, vom Maschinenbauer bis zur Energietechnik, vom Verlag bis zur Immobilienbranche, vom Freizeitbereich bis zur Lebensmittelerzeugung. Auch die Größenordnung für ein Crowdfunding im Mittelstand ist sehr flexibel und reicht von kleinen bis mittleren fünfstelligen Beträgen bis hin zu siebenstelligen Summen.

Wird sich, Ihrer Einschätzung nach, Crowdfunding als Finanzierungsoption im deutschen Mittelstand durchsetzen?

Prof. Dr. Serfas: Crowdfunding besitzt viel Potenzial, gerade für den deutschen Mittelstand. Dieses wird bisher nur in Ansätzen genutzt, auch weil viele Mittelständler diese Finanzierungsform noch gar nicht wirklich auf dem Schirm haben oder darin noch ein „Buch mit sieben Siegeln“ sehen. Hier hängt Deutschland international klar hinterher. In anderen Ländern ist Crowdfunding schon deutlich verbreiteter und präsenter. Ich bin jedoch optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren auch in Deutschland mehr Crowdfunding-Projekte im Mittelstand sehen werden als bisher.