Rückblick auf die Travelling Conference in China: Unterwegs im Zeichen der Digitalisierung  

Blick auf die Stadt Chongqing

29.03.2017 – Als ihr Flugzeug am 28. Februar wieder in Frankfurt am Main landet, liegt ein wahres Mammutprogramm hinter ihnen: Die neunköpfige Delegation bestehend aus Experten der Wirtschaft und Wissenschaft hat innerhalb von 10 Tagen vier chinesische Hochschulen besucht. An jeder dieser Stationen standen sie im Rahmen einer ein- bis zweitägigen Konferenz im intensiven Austausch mit chinesischen Kolleginnen und Kollegen. Oberthema dieser vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Travelling Conference: die digitale Transformation und ihre Auswirkungen.

„Wir sind mit der Zielsetzung nach China gereist, den Themenkomplex Industrie 4.0 sowohl aus deutscher als auch aus chinesischer Perspektive zu beleuchten und gleichzeitig die Basis für mögliche gemeinsame Forschungsaktivitäten zu legen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Heupel, der als FOM-Prorektor Forschung Teil der Delegation war. „Dieses Ziel haben wir definitiv erreicht: Wir haben neue und interessante Kontakte zur chinesischen Wirtschaft und Wissenschaft geknüpft und bereits Gespräche zu zwei recht konkreten Projekten aufgenommen.“ Ein Beispiel: Zusammen mit der Shanxi University of Finance and Economics in Taiyuan soll zum Thema Strukturwandel geforscht werden, denn die von Schwerindustrie und Kohlebergbau geprägte Stadt steht aktuell vor ähnlichen Herausforderungen wie das Ruhrgebiet nach Schließung der Zechen.

„Mit der Travelling Conference konnten wir zudem die Forschungskooperationen mit unseren chinesischen Partnerhochschulen, mit denen wir teilweise schon bis 15 Jahre zusammenarbeiten, deutlich vertiefen und schärfen“, ergänzt Prof. Andreas Oberheitmann, Leiter des Projektes Digitrans CD und Forschungskoordinator der FOM German-Sino School of Business & Technology. Und Prof. Dr. Stefan Heinemann, Vorstandsvorsitzender der Initiative Wissenschaftsstadt Essen und FOM-Prorektor Kooperationen, freut sich: „Das Engagement in Hochschulkooperationen mit unseren chinesischen Partneruniversitäten ist zunehmend von Forschungsaktivitäten mitgeprägt und das bringt neue spannende Perspektiven für alle Partner.“

Zu diesem Erfolg hat aus Sicht von Prorektoren und Projektleiter jedes einzelne Mitglied der Delegation beigetragen:

  • Andreas Oberheitmann
  • Dietmar Düdden als Geschäftsführer der EWG – Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH
  • Dr. Gregor Schiele als aktives Mitglied der Initiative Wissenschaftsstadt Essen und Professor für Informatik an der Universität Duisburg-Essen
  • Dr. Stefan Heinemann
  • Dr. Thomas Heupel
  • Dr. Roger Bons als FOM-Experte für Wirtschaftsinformatik
  • Dr. Thomas Hanke als stellvertretender Direktor des ild Institut für Logistik- & Dienstleistungsmanagement
  • Dr. Rudolf Jerrentrup als Dekan für Ingenieurwesen an der FOM Hochschule und Vertreter des KCT KompetenzCentrum für Technologie- & Innovationsmanagement
  • Dr.-Ing. Michael Schaffner als FOM-Experte für Organisation und Innovation sowie weiteres KCT-Mitglied

„Jeder von ihnen hat sein Know-how und seine Erfahrungen in Form von Vorträgen und Workshops eingebracht und gleichzeitig immer ein offenes Ohr für Impulse und Anregungen der chinesischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehabt“, so Prof. Dr. Heupel. „Damit standen die Konferenzen auf einem sehr guten Fundament.“

1. Station: das College of Mobile Telecommunications der Chongqing University of Post and Telecommunications

Gruppenfoto aus Chongqing

Ihren ersten Halt machten die Wissenschaftler in Chongqing. Am College of Mobile Telecommunications lag der Schwerpunkt ihrer Vorträge auf elektronischer Informatik und Automatisierung. Prof. Andreas Oberheitmann warf beispielsweise einen Blick auf die Strategien, mit denen China und Deutschland die Herausforderungen des digitalen Wandels in Angriff nehmen wollen: „Made in China 2025“ und „Industrie 4.0“. Dabei berührte er ganz unterschiedliche Themen – von der Ressourceneffizienz bis zu Smart Homes, Smart Logistics und Smart Mobility.

Mit dem Internet der Dinge befasste sich Prof. Dr. Gregor Schiele. Der UDE-Wissenschaftler betonte: „The IoT is more than just smart phones and tablets. It means that everyday objects become smart und everything is connected to the Internet.“ Zudem gewährte er Einblicke in die Forschung zu „Adaptive in-network operations“, „Self-optimizing devices” und „Open web standards and data models“. Seine Schlussfolgerung: Während aktuelle IoT-Systeme statisch sind und auf vorgefertigte und unveränderliche Hardware-Plattformen, Datenanalysen in der Cloud und herstellerabhängige Standards setzen, um abgeschlossene Anwendungsbereiche zu bedienen, sind in Zukunft flexiblere und offenere Systeme gefragt, die z.B. rekonfigurierbare Hardware wie Field Programmable Gate Arrays (FPGAs) und semantische Web-Technologien wie das Resource Description Framework (RDF) einsetzen, um herstellerunabhängiger, sicherer und robuster zu sein. Gleichzeitig werden Mixed-Reality-Visualisierungen zu einem zentralen Baustein der Digitalisierung.

 2. Station: die Shanxi University of Finance and Economics (SUFE)

Gruppenbild aus Taiyuan

Der Stopp an der SUFE stand ganz im Zeichen des Strukturwandels. Passend dazu überbrachte Dr. Dietmar Düdden Grüße vom Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen und zog Parallelen zwischen den Entwicklungen im Ruhrgebiet und der Provinz Shanxi. Darüber hinaus beleuchtete er Industrie 4.0 aus der Perspektive kleiner und mittlerer Unternehmen. Seine These: „It is not the question ‚if‘, but much rather ‚when‘ companies will adopt Industry 4.0.“ Dabei hätten es neugegründete Unternehmen sehr viel einfacher als etablierte Firmen. Letztere müssten bereits bestehende Workflows sowie ihre Daten-Kommunikation umstellen, so der EWG-Geschäftsführer.

Dass beim Sprung auf Industrie 4.0 auch ethische Fragen eine Rolle spielen, stellte Prof. Dr. Stefan Heinemann heraus – und zwar am Beispiel des autonomen Fahrens. Dabei gab er zunächst einen Überblick über rechtliche, technische, wirtschaftliche, soziale und ethische Aspekte. „Human made accidents will decrease using artificial intelligence in cars“, nannte er ein Beispiel. “Furthermore, driverless truck platoons will save fuel and money – especially if they tailgate.” Zudem stellte Prof. Dr. Heinemann ein Vier-Schritt-Programm auf dem Weg zu “Ethics of autonomous driving“ vor. Es umfasst die Entwicklung von Fragen, eine Diskussion von Methoden, die Formulierung von Empfehlungen für verschiedene Stakeholder sowie eine kritische Diskussion dieser Empfehlungen.

Den Bogen zwischen Digitalisierung und internationalem Handel schlug Prof. Dr. Roger Bons: Der Experte für Wirtschaftsinformatik stellte die Blockchain-Technologie vor und deren Potenziale heraus. „A Blockchain is a sequential archive where large blocks of ‚transactions‘ are stored – protected by hashed aggregated time-stamps“, erläuterte er. “It is distributed among all stakeholders and can be governed by a single party or public, depending on who is allowed to create new nodes.” Einsatzgebiete für diese Technologie gäbe es viele – von digitalen Währungen wie Bitcoin über “Smart Contracts” bis zu Datenschutz. Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine lebhafte Diskussion mit den chinesischen Forscherinnen und Forschern, und Prof. Dr. Bons kündigte einen Follow-up an.

 3. Station: das College of Information der Shanxii Agricultural University

Die Travelling Conference in Taigu

Das College of Information in Taigu – Station Nummer drei der Travelling Conference – ist gerade dabei, seine Aktivitäten im Bereich Forschung zu intensivieren. Diskussionen und Austausch waren deshalb besonders intensive. Lebhaft diskutiert wurde beispielsweise der Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Michael Schaffner. Er sprach über Wissensmanagement im Zuge von Industrie 4.0. „Infonomics – or the handling with digital know-how in operation, service and maintenance of maschines and plants in the context of digital transformation – is a big issue“, hob er hervor. “The goal is to provide people or smart devices with service information that is exactly complete and suitable for the context of action.” Um dieses Ziel zu erreichen, seien verschiedene Dinge vonnöten. Darunter eine maschinenlesbare Präsentation des impliziten Wissens der Technikerinnen und Techniker, ein Konzept für die lückenlose Erfahrung relevanter Daten entlang des Produktlebenszyklus sowie Wissensarchitekturen.

 4. Station: die Shandong Agricultural University (SDAU)

Gruppenbild aus Taian

Welche Potenziale die Digitalisierung für die Landwirtschaft birgt, war die zentrale Frage beim letzten Termin der Travelling Conference an der Shandong Agricultural University in Taian. Prof. Dr. Thomas Hanke ging beispielsweise auf die Fähigkeiten ein, die benötigt werden, um die digitale Transformation voranzutreiben – darunter abstraktes Denken, Informationsmanagement, Prozessverantwortung sowie die Fähigkeit sowohl im Team als auch in Projekten zu arbeiten. „This means: New training, further education and study programmes in digital transformation are the key“, stellte er heraus. “This involves both upgrading training and study courses as well as creating the requirements for successful lifelong learning.”

Eine ganze Reihe von Studienergebnissen hatte Prof. Dr. Rudolf Jerrentrup im Gepäck. Ein Beispiel: Mehr als 50 Prozent aller deutschen Unternehmen hätten eine Strategie für den Schritt zur Industrie 4.0, von entsprechenden Investments erhofften sie sich vor allem Kostenreduktion, Flexibilisierung und Qualitätsverbesserung. Auch auf mögliche Hindernisse ging der FOM-Dekan ein – darunter der notwendige kulturelle Wandel, technische Grenzen sowie der Umgang mit privaten Daten. Anschließend beleuchtete er die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf kleine und mittlere Unternehmen.

Nicht mit Vorträgen vertreten, aber ebenfalls maßgeblich am Erfolg der Travelling Conference beteiligt waren Dipl.-Ing. (FH) Christoph Hohoff (Bereichsleiter Support Forschung) und Dipl.-Kfm. Gerrit Landherr (Projektkoordinator Digitrans): Sie begleiteten die Delegation auf ihrer Reise durch China und übernahmen viele organisatorische Aufgaben. Auf chinesischer Seite unterstützt wurden sie von Xiujuan Wang (Office Manager an der SUFE) und Ruolong Qiu (Office Manager an der SDAU), die sich sowohl bei den Reisevorbereitungen als auch der Durchführung der Konferenzen vor Ort eingebracht haben. Ebenfalls Teil der wissenschaftlichen Reisegruppe: Übersetzerin Ziyao Yang. Sie begleitete die komplette Travelling Conference.

Stefanie Bergel, Referentin Forschungskommunikation