Forum für Wissenschaftsjournalismus: Prof. Dr. Richenhagen über „Wissenschaftler als Propheten“  

29.11.2016 – Ende November haben sich Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten aus ganz Deutschland in Bremen getroffen. Bei der Veranstaltung Wissenswerte diskutierten sie u.a. Leitlinien für gute Wissenschaftskommunikation, Lobbyismus, Gatewatching und Social Media. Ein weiterer Punkt, der ihnen unter den Nägeln brannte: der Umgang mit Prognosen. Wie muss man Zukunftsaussagen und Zahlen beispielsweise gewichten? Und welche Szenarien sind im Redaktionsalltag mit Vorsicht zu genießen? Antworten lieferten drei Experten im Rahmen des Workshops „Wissenschaftler als Propheten“: Dr. Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, Prof. Dr. Stephan Lechtenböhmer vom Wuppertal Institut und Prof. Dr. Gottfried Richenhagen vom ifpm Institut für Public Management der FOM Hochschule.

Der ifpm-Direktor erläuterte zum Beispiel die Begriffe Projektionen und Prognosen. „Projektionen sind wissenschaftlich fundierte ‚Was-wäre-wenn‘-Aussagen über zukünftige Ereignisse. Sie basieren auf Beobachtungen der Vergangenheit, einer Theorie zur Erklärung dieser Beobachtungen sowie der Prämisse, dass diese Erklärungszusammenhänge auch in der Zukunft fortgelten.“ Prognosen seien Projektionen, die eine realistische Zukunftseinschätzung beanspruchen und der Zukunft möglichst nahekommen wollen. „Eine Prognose ist mehr als nur ‚intuitives Tippen‘“, betonte Prof. Dr. Richenhagen. „Sie ist wissenschaftlich begründbar und gilt so lange, wie das betrachtete Systemverhalten – also der beobachtete Trend – zeitstabil ist.“ Wie das in der Praxis aussieht, machte er anhand von Beispielen aus der Bevölkerungswissenschaft deutlich: So führe die erhöhte Nettozuwanderung vor 2015 zu aus heutiger Sicht fehlerhaften Prognosen der 2006 und 2009 koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung in Deutschland.

Abschließend setzte sich Prof. Dr. Richenhagen mit der Frage auseinander, ob Bevölkerungsprognosen als Handlungsgrundlagen dienen können. Seine Überzeugung: Sie können. „Bevölkerungsprognosen, die nach dem ‚state of the art‘ gemacht wurden, gehören zu den sichersten Prognosen, die wir kennen“, lautete seine Begründung. „Zudem sind sie als Planungsgrundlagen unverzichtbar. Wer würde schon gerne auf eine zusätzliche private Altersvorsorge verzichten, weil die Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes unsicher ist?“

Stefanie Bergel, Referentin Forschungskommunikation