Demografie interdisziplinär: Alt heißt nicht träge  

Foto: Thinkstock/iStock
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24.06.2016 – Kann ein Weniger (an Menschen in Deutschland) auch ein Mehr (an Möglichkeiten für den Einzelnen) bedeuten? Mit dieser Frage haben sich Vertreterinnen und Vertreter der FOM Institute und KompetenzCentren befasst. Herausgekommen sind 13 individuelle Kurzbeiträge, die vielfältige Impulse und Denkanstöße liefern. Heute geht Prof. Dr. Ricardo Büttner, Direktor des mis Institute of Management & Information Systems, der Frage nach, ob Unternehmen in ihrer Personalpolitik und Mitarbeiterführung eine veränderte Arbeitsmotivation und -zufriedenheit bei älteren Beschäftigten berücksichtigen müssen.

Der demografische Wandel führt zu einer starken Veränderung der Altersstruktur der Belegschaft in Unternehmen. Altersabhängigkeiten von Arbeitsmotivation und -zufriedenheit sind aufgrund des demografischen Wandels in allen hochentwickelten Volkswirtschaften von besonderem Forschungsinteresse. Von den Medien wird häufig ein Bild in der Gesellschaft suggeriert, das ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich eine veränderte Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit zeigen würden.

Für die Personalpraxis ist es zwar interessant, die absolute Höhe der Motivation und Zufriedenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu messen. Es ist jedoch viel wichtiger, zu wissen, wie aktionsorientiert Arbeitsunzufriedenheit möglichst vermieden werden kann und wie Beschäftigte motiviert werden können. Der Autor untersuchte deshalb anhand einer Umfrage unter abhängig Beschäftigten, inwiefern Arbeitsmotivations- und Zufriedenheitsfaktoren altersabhängig sind. Wenn bedeutende Altersabhängigkeiten vorhanden sind, dann müssten die Unternehmen tatsächlich altersdifferenziert agieren.

Um diese Fragestellung zu beantworten, wurde methodisch ein Fragebogeninventar entwickelt, welches nicht die absolute Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit misst, sondern deren Einflussfaktoren (bspw. Erfolgserlebnisse, Anerkennung durch Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen sowie gegebenenfalls durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Firmenpolitik, Betriebsklima, etc.) evaluiert. Hierzu wurden auf Basis von Vorarbeiten 34 Aussagen formuliert, bei denen die Befragten um die Angabe des Zustimmungsgrades gebeten wurden (vgl. Büttner 2010).

Zwei Beispielaussagen:

  • „Fehlende Verantwortung führt bei Ihnen zu Unzufriedenheit.“
  • „Wenn Sie ein höheres Einkommen erhalten, steigt Ihre Arbeitsmotivation.“

An der Befragung nahmen 1.340 abhängig Beschäftigte, darunter 680 Frauen und 660 Männer, aus 35 unterschiedlichen Branchen mit einer durchschnittlichen Berufserfahrung von 11,5 Jahren teil.

Im Ergebnis zeigte sich, dass die Einflussfaktoren der Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit nicht altersabhängig waren. Einzige Ausnahme: Die Wirkung der Aussicht auf Beförderung und höheren Status nahm jeweils mit dem Alter ab (Büttner 2013a, S. 373). Ansonsten konnten keine statistisch signifikanten und bedeutenden Zusammenhänge zwischen den Arbeitsmotivations- und Zufriedenheitseinflussfaktoren und dem Alter nachgewiesen werden.

Zusammenfassend lässt sich damit für die praktische Personalpolitik und Mitarbeiterführung konstatieren, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht grundsätzlich anders motiviert bzw. motivierbar sind. Allerdings sollten Unternehmen nach Beförderung und Status substituierenden/alternativen Faktoren suchen. Die „Passung der Arbeitsaufgabe zu der Person und deren Ziele“ (sogenannter Person-Job Fit) und „eine gute Firmenpolitik“ zeigten sich in der Untersuchung als geeignete Faktoren, um die abnehmende Wirkung von Status und Beförderung zu kompensieren. Sie wurden in der Studie insbesondere als Einflussfaktoren der Arbeitsmotivation mit zunehmendem Alter wichtiger, auch wenn deren Bedeutung nur schwach zunahm.

Mit dem demografischen Wandel werden die Belegschaften älter. Deshalb sollte das Management folgende Kernpunkte berücksichtigen:

  • Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Vergleich zu jüngeren nicht grundsätzlich anders motiviert bzw. motivierbar.
  • Die Bedeutung von Status und Beförderungsmöglichkeiten nimmt in Zukunft ab.
  • Eine gute Passung der Aufgaben zur Person und eine gute Firmenpolitik werden in Zukunft wichtiger.

Das gesamte erhobene Datenmaterial wurde zusätzlich faktoranalytisch ausgewertet. Es wurde nach zusammenfassenden Faktoren gesucht, die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation erklären.

Im Ergebnis zeigt sich, dass es zwei solcher Faktoren gibt, die sehr stark die Arbeits(un-)zufriedenheit beeinflussen (Büttner 2013a, Tab. 24.6):

  1. Beziehung zu Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie gegebenenfalls zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und
  2. Entgelt.

Die Arbeitsmotivation wird ebenfalls durch den Faktor „Beziehung“ und „Entgelt“ wesentlich beeinflusst. Zusätzlich wurde jedoch noch die „Möglichkeit der Selbstverwirklichung“ als neuer Faktor identifiziert (Büttner 2013a, Tab. 24.7). Die Ergebnisse der Faktoranalyse bestätigten die o. g. „Kernpunkte für das Management“.

Deshalb sind Unternehmen gut beraten, wenn sie eine Demografie-orientierte Personalpolitik konsequent in ihrem Unternehmen verankern und diese auch authentisch leben. Das Erreichen eines hohen Person-Job Fits beginnt mit der Personalauswahl, wo die Passung der Persönlichkeit von Beschäftigten mit der Unternehmenskultur im Vordergrund steht (Büttner 2013b), und setzt sich in einer wechselseitigen Anpassung der Stellenanforderungen und der Mitarbeiterkompetenzen fort.

Prof. Dr. Ricardo Büttner, Direktor des mis Institute of Management & Information Systems 

 

Literatur

Büttner (2010) Büttner, Ricardo: Zum situativen Einfluss der Weltwirtschaftskrise 2008 ff. auf die Arbeitsmotivation und die -zufriedenheit: Eine empirische Studie zu Einstellungsveränderungen hinsichtlich der Motivations- und Hygienefaktoren der 2-Faktoren-Theorie, Zeitschrift ARBEIT, 19(4):289-294, 2010.

Büttner (2013a) Büttner, Ricardo: Zur Korrelation des Alters mit Arbeitsmotivation und -zufriedenheit: Eine empirische Studie zu Einstellungsveränderungen hinsichtlich der Motivations- und Hygienefaktoren der 2-Faktoren-Theorie. In: M. Göke, T. Heupel (Hrsg.) Wirtschaftliche Implikationen des demografischen Wandels: Herausforderungen und Lösungsansätze, 2013, Wiesbaden, Germany, S. 367-382, Springer Fachmedien.

Büttner (2013b) Buettner, Ricardo: A Framework for Recommender Systems in Online Social Network Recruiting: An Interdisciplinary Call to Arms. In HICSS 2014 Proceedings: 47th Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS-47), Januar 6-9, 2014, Big Island, Hawaii.

 

Die weiteren Beiträge der Reihe „Demografie interdisziplinär“ im Überblick: