#silicon #values – Was treibt kalifornische Ökonomie?
Teil 3 der Silicon Valley-Reihe: Like and Dislike
23.03.2016 – Verlautbarungen und Auftreten von kalifornischen Vorzeige-Unternehmern, die inzwischen gern auf Deutschland-Tournee gehen, auf dem Potsdamer Platz joggen und trockenen deutschen Politikern ihre Visionen einer neuen Welt erklären, sind vielen unsympathisch. Während Zuckerberg mit dem Schub des Wind of Change lachend über den Potsdamer Platz joggt, diskutieren deutsche Experten noch über Glasfaser- oder Kupferkabel.
Spricht man die Kalifornier darauf an, antworten sie mit Formeln zu Exzellenz und Anspruch. ‚Wir wollen die Besten sein, die besten Produkte machen, die die Welt voranbringen’, heißt es sinngemäß. Dazu kreieren sie eine hermetische Unternehmenskultur und gebärden sich nicht selten als Stiftungshelden, welche die Menschheit beglücken wollen. Geht es dabei wirklich nur um ‚das Beste für alle’? Ist das nicht eine mit viel Scheinheiligkeit ummäntelte Form von Arroganz? Verkaufen sie uns für dumm?
Nun gibt es an arrogant wirkenden Managern, die andere für dumm verkaufen, keinen Mangel. Nach 2008 haben wir unfreiwillig eine ganze Reihe davon kennengelernt. Die meisten Unternehmer und Manager wollen etwas, irgendeine individuelle Sache – Geld verdienen, gestalten, Einfluss nehmen; auch etwas bewegen, anderen helfen oder etwas Sinnvolles für Umwelt oder Gesellschaft tun. Unternehmer aber, die ihr ökonomisches Wirken in den Dienst einer Sache stellen, die weit in der Zukunft liegt und mit ihnen womöglich gar nichts mehr zu tun hat, sind selten. Hierzulande muss man sie mit der Lupe suchen, diese Spezies bevölkert Landstriche eher westlich des Atlantiks (Ausnahmen bestätigen die Regel: Bosch, Rosenthal …). Dieses Unvertraute ist ein zentraler Grund dafür, warum Valley-Unternehmer, wenn sie freimütig über ihre Visionen sprechen (was sie gerne und häufig tun), unglaubwürdig erscheinen – füruns. In unserer Vorstellungswelt von Ökonomie stellen nämlich Ziele und Orientierungen, die
- nicht klar definiert, sondern im Gegenteil extrem vage sind,
- zeitliche Reichweiten von 50 Jahren und mehr haben,
- und mit der gegenwärtig bekannten Realität gerade nichts zu tun haben wollen,
keine ökonomisch qualifizierten Ziele dar, sondern, würde man sie tatsächlich verfolgen, einen Fall für den Insolvenzverwalter. Sie sind anscheinend absurd – und wer sie ernsthaft als Motivationsgrundlage und Inspirationsquelle für unternehmerisches Handeln darstellt, disqualifiziert sich im besten Falle vom ökonomischen Diskurs. Im schlechteren und real deutschen Falle wird ihm unterstellt, er verkaufe sein Publikum für dumm. Und da sich niemand gern für dumm verkaufen lässt, wird geurteilt: Diese Unternehmer sind unlauter, nur am Geld interessiert, unsozial und machtgierig. Mit deren Visionen beschäftigen wir uns daher gar nicht erst. Dislike.
Soweit der Ausflug in die (nicht nur deutsche) Küchenpsychologie. Bloß: Wer in diesem Spiel der Dumme ist, ist noch nicht ausgemacht. Die Medien käuen diese Perspektive seit Jahren unermüdlich wieder, mitunter auch betriebswirtschaftlich begründet – darum hält sie sich auch so hartnäckig. Unser Einwand: Der Blick hinter die normativen Kulissen lohnt durchaus! Und zwar nicht wegen der kalifornischen Werte und Visionen. Mit ihrer fantastischen Zukunftszugewandtheit haben sie jedoch ein paar neuartige Ideen für ein modernes Unternehmertum erfunden, mit denen man auch auf Grundlage ganz anderer Wertorientierungen – zum Beispiel unserer – erfolgreich sein könnte. Dieses Modell ist kulturell neutral. Es fußt nicht auf bestimmten Werten; aber es gibt bislang eben nur das ökonomische Cluster des Silicon Valley, das dieses Modell nutzt. Und wir Europäer begehen den Denkfehler, das Modell selbst und die kalifornischen Werte, in deren Kontext es entstanden ist, kurzzuschließen.
Dass dies kaum wettbewerbsintelligent ist, zeigen mehrere Entwicklungen im Innovationsmanagement, wie sie das KCT KompetenzCentrum für Technologie- & Innovationsmanagement der FOM Hochschule beobachtet. Und in Aspekten wie Führung, Management und Kommunikation zeigt es das gerade erschienene Sachbuch Silicon Valley als unternehmerische Inspiration. Die Autoren – Dr. Rainer Kühn und ich – sind Zukunftsforscher und beschreiben das unternehmerische Konzept des Silicon Valley aus der Perspektive, aus der es entstanden ist: mit Blick auf nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch auf gesellschaftliche Ziele. Eine Fundgrube für diejenigen, die sich für die eigentlichen Inspirationsquellen des kalifornischen Wirtschaftens interessieren.
Prof. Dr. Friederike Müller-Friemauth, KCT KompetenzCentrum für Technologie- & Innovationsmanagement
Zum Nachlesen:
- Teil 1 der Silicon Valley-Reihe: Die Welt ist nicht genug
- Teil 2 der Silicon Valley-Reihe: Innovationstreiber
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