eHealth-Gesetz – Chance für die Telemedizin?  

Das Bundeskabinett hat den Referentenentwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen, kurz eHealth-Gesetz, beschlossen. Die Ziele des Gesetzes sind die Einführung und Nutzung von telematischen Anwendungen im Gesundheitswesen durch das Setzen von Anreizen (Vergütung und Sanktionen), Vorantreiben des Notfalldatensatzes, Öffnung und Weiterentwicklung der Telematik-Infrastruktur und die Verbesserung der Interoperabilität im Gesundheitswesen. Doch ist der Gesetzesentwurf eine Chance, die Telemedizin in Deutschland voranzutreiben?

Eine immer älterwerdende Gesellschaft sowie ein Mangel an Ärzten allen voran in ländlichen Gebieten stellen eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Um diesen Problemen Abhilfe zu verschaffen, ist der Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen, auch Telemedizin genannt, sinnvoll. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, Hausärzten in ländlichen Gebieten durch Telekonsile Unterstützung von Fachärzten bei der Behandlung von Patienten zukommen zulassen. Auch die medizinische Überwachung von Patienten zuhause ist denkbar.

Regional gibt es in Deutschland schon eine Reihe solcher telemedizinischen Leistungen. Ein bekanntes Projekt ist das TEMPiS-Netzwerk, bei welchem ein entfernter Schlaganfallexperte per Videokonferenz zur Behandlung des Patienten zugeschaltet wird. Außerdem erhält der Experte zur Bewertung noch weitere CT-Bilder. Zusammen mit dem vor Ort behandelnden Arzt stellt der Experte eine Diagnose, und die Behandlung des Patienten kann unverzüglich eingeleitet werden, ohne dass dieser erst in ein entferntes Schlaganfallzentrum transportiert werden muss. Um solche telemedizinischen Leistungen national bereitstellen zu können, soll die Telematik-Infrastruktur geöffnet und weiter ausgebaut werden.

Etwas konkreter wird der Gesetzesentwurf bei weiteren Anwendungen der Telematik-Infrastruktur. So wird im Entwurf explizit die Implementierung eines Medikationsplanes beschrieben. Ab dem 01.10.2016 haben Patienten, denen mindestens drei Arzneimittel verordnet wurden, einen Anspruch auf einen Medikationsplan. Zunächst soll dieser Plan dem Patienten in Papierform ausgehändigt werden. Die elektronische Verarbeitung, Nutzung und Fortschreibung sind im Entwurf des Gesetzes enthalten, jedoch gibt es hierfür keine Terminvorschrift zur Umsetzung.

Um die Nutzung der Telematik-Infrastruktur unter den Anwendern voranzutreiben, soll die Nutzung bestimmter Anwendungen vergütet werden. So erhalten Ärzte für die Erstellung oder Aktualisierung von Notfalldatensätzen sowie für die sichere Übermittlung von elektronischen Briefen und Krankenhäuser für das Erstellen von elektronischen Entlassbriefen eine Vergütungspauschale. Aber auch Sanktionen können erteilt werden – beispielsweise für Ärzte, die bis zu einer festgelegten Frist den Versichertenstammdatendienst nicht einsetzen.

Neben den Sanktionen für Ärzte soll es auch Sanktionen für die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) geben. So sollen verbindliche Termine für die Durchführung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Nutzung des Versichertenstammdatendienstes und des Notfalldatensatzes gesetzt werden.

Ein weiteres wichtiges Thema bei telemedizinischen Leistungen ist die Vergütung und Abrechenbarkeit. Laut dem Gesetzesentwurf sollen telemedizinischen Leistungen im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) ausgebaut und gefördert werden.

Das Vorantreiben von telematischen Anwendungen im Gesundheitswesen ist grundsätzlich zu befürworten. Probleme wie die gesundheitliche Überwachung einer älterwerdenden Gesellschaft oder auch der Ärztemangel in ländlichen Gebieten lassen sich durch die Unterstützung von Telemedizin gut handhaben. Jedoch besteht eHealth aus mehr als nur den drei im Gesetz beschriebenen Anwendungen (Medikationsplan, Notfalldaten, Versichertenstammdatendienst). Somit treibt das Gesetz explizit drei Anwendungen voran – wobei sich hierbei auch noch streiten lässt, inwieweit dies gelungen ist –, aber eHealth besteht aus einer Menge mehr Anwendungen. Um eHealth-Projekte deutschlandweit zu etablieren, muss eine Vergütungsstruktur für telemedizinische Leistungen geschaffen werden.

Prof. Dr. Thomas Jäschke, Medizin-Informatiker, wissenschaftlicher Leiter FOM Hochschulbereich IT Management sowie Mitglied der Säule eHealth im KompetenzCentrum für Management im Gesundheits- & Sozialmanagement